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Liebe im Zeichen des Nordlichts

Liebe im Zeichen des Nordlichts

Titel: Liebe im Zeichen des Nordlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen MacMahon
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das Foto, das ihr ins Auge stach. Es stellte einen Vogelschwarm dar, der das Gras abweidete.
    Sie trat näher an das Schild heran und beugte sich vor, um die Vögel genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie hatten alle den gleichen schwarzen geschwungenen Hals, den gleichen gedrungenen grauen Leib und die gleiche unbeholfene Körperhaltung. Hellbäuchige Ringelgans, hieß es auf der Tafel,
Branta bernicla hrota.
    Eine Landkarte zeigte ihre Wanderroute. Eine gezackte gelbe Linie zeichnete ihre Reise vom nordwestlichen Kanada über Grönland und Island bis nach Irland nach.
     
    Die Ringelgans pflanzt sich im kurzen arktischen Sommer in Kanada fort. Sie verbringt den Winter an den Buchten und Flussmündungen der Ostküste Irlands. Im Frühjahr bricht sie zu ihrer 8000  Kilometer langen Rückreise auf und macht dabei kurz in Island Station.
     
    Addie starrte auf das Schild. Wie oft war sie schon hier spazieren gegangen und hatte auf dieser Bank eine Rast eingelegt? Und sie hatte es noch nie zuvor bemerkt!
    Sie stand da, las den kurzen Text ganz langsam noch einmal durch und dachte gründlich über jedes Wort nach. Dann studierte sie die Karte und las anschließend den Text ein drittes Mal. Sie ließ die Informationen über die Route auf sich wirken und stellte sich jahreszeitbedingte Wanderungsbewegungen vor. Sie machte sich klar, dass die Heimreise feststand. Und sie hatte das Gefühl, dass die Tafel ihr etwas mitteilen wollte.
    Bruno würde nach Hause zurückkehren.
     
    In seinem Pensionszimmer nahm Bruno die E-Mail, die seine Flugdaten enthielt, aus seinem Rucksack.
    Ein paar Papiere, die er selbst auf dem Tintenstrahldrucker in seiner Wohnung ausgedruckt hatte und die überhaupt nicht aussahen wie ein Flugticket. Es fiel ihm schwer, sie ernst zu nehmen. Es stand ein alberner Code darauf, eine magische Kombination aus Zahlen und Buchstaben, die man beim Check-in vorweisen musste, um mitfliegen zu dürfen. Die Liste der Einschränkungen und Verbote, was das Gepäck betraf, erstreckte sich über vier kleingedruckte Seiten.
    Bruno sah nach dem Rückflugdatum, obwohl er es bereits auswendig kannte. Er sah auch nach der Abflugzeit, obwohl es noch zu früh war, um sich über solche Einzelheiten Gedanken zu machen. Dann faltete er die Papiere zusammen und verstaute sie wieder in der Innentasche seines Rucksacks.
    Plötzlich bekam er Sehnsucht nach den Flugtickets, wie sie in der guten alten Zeit ausgestellt wurden. Tickets, dick wie Scheckbücher, mit dem Logo der Fluggesellschaft vorne drauf und einem Stapel Kohlepapierdurchschläge, die von Schicht zu Schicht verblassten und erst schwarz, dann rosa, dann grau wurden.
    Mit einem solchen Ticket war man ein Reisender, ein Passagier einer Fluglinie. Man konnte überall auf der Welt im Büro der Fluggesellschaft vorsprechen und wurde »Sir« genannt. Man konnte über eine Umbuchung verhandeln und sich ein neues Ticket ausstellen lassen. Und wenn man wieder zu Hause war, hatte man eine Erinnerung an seine Reise, die man in einem Karton aufheben und Jahre später wiederentdecken konnte.
    Es gab Zeiten, in denen Bruno viel gereist ist. Für seinen vorletzten Arbeitgeber war er regelmäßig in China. In Japan, Korea, Malaysia und Thailand kannte er sich aus. Er hat ein wenig Mandarin gelernt. Ein paar Brocken Japanisch, genug, um Höflichkeiten auszutauschen. Er ließ sich Sommeranzüge nach Maß anfertigen. Er hatte ein Vielfliegerkonto. Und einen vollgestempelten Pass.
    »Stimmt es, dass nur ein Prozent aller Amerikaner einen Pass hat?«
    Interessiert blickte Bruno von seiner Zeitung auf. Er schien sich für alles zu interessieren, was sie sagte.
    »Das ist mir neu.«
    »Ach, nimm es nicht weiter ernst«, erwiderte Addie. »Keine Ahnung, woher ich das habe. Wahrscheinlich stimmt es nicht.«
    Ganz sicher nicht. Bestimmt handelt es sich um eines dieser miesen kleinen Vorurteile gegen Amerikaner, wie sie im Pub die Runde machten. Zum Glück nahm Bruno es nicht persönlich.
    »Schon möglich«, meinte er nachdenklich. »Viele Amerikaner haben noch nie das Meer gesehen.«
    Addie betrachtete ihn zweifelnd und versuchte, sich das vorzustellen. Aber sie konnte es nicht.
    »Warst du schon mal in Berlin?«, fragte er. »Wir könnten für neun Euro nach Berlin fliegen!«
    Er hatte Ryanair entdeckt und weidete sich an der ganzseitigen Zeitungsanzeige, berauscht von dem Gedanken, so billig reisen zu können. Alle Städte Europas, so leicht zu erreichen.
    »Oder Venedig?«, schlug er vor.

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