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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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schönen Akkusativ mit Infinitiv oder Ähnliches hervorzuheben, dann machte er sich auf den Rückweg. Es schneite nicht mehr, dafür eine scharfe Kälte, und er ging nur ein Stück zu Fuß. In Hemmenhofen stieg er in ein Taxi am Hotel Höri, wo Cornelius und die übrigen Altschüler sicherlich wohnten, und ließ sich über Wangen und Kattenhorn, wo sie einst ihre Schweizware loswurden, nach Stein am Rhein fahren; sogar die Zollstation weiß und still, der Schnee grenzenlos. Im Hotelzimmer dann noch ein paar Zeilen Franziskus, der Poverello als Menschenflüchter, allein in den Bergen. Und am anderen Tag die Rückfahrt nach Italien, aber nicht an den See, sondern viel weiter, ein Mietwagen mit Winterbereifung.
    UND Ende Januar traf in der Schadowstraße eine Ansichtskarte aus dem mittelitalienischen Topino-Tal ein, mit Poststempel Nocera Umbra und einem zehn Tage alten Datum, ein wildes Paradies dem Bild nach, bewaldete Hänge, Reste von Gehöften, ein felsiger Bachlauf: Nichts für mich, sagte Renz, als Vila die Karte schon umdrehte. Auf der Rückseite Bühls kleine Schrift, späte Neujahrswünsche für sie beide, Glück und Gesundheit, dazu das Versprechen, sich bald wieder um das Haus zu kümmern. Und an Renz noch ein paar Extrazeilen, er sollte sich von Franziskus verabschieden, das werde einem klar in diesem Tal, vorletzte Station eines schon sehr kranken, sich nach dem Ewigen oder der Liebe verzehrenden Franz, der nicht fürs Fernsehen tauge, das Nicht unterstrichen. Und dann noch etwas, das auch mit ihr verbunden war, dem, was sie von Renz’ Plänen erzählt hatte – Warum nicht lieber angehen, was in der Luft liegt, das Missbrauchsthema, dabei sicher hilfreich der Mann, der die Vorfälle an meinem alten Internat Aarlingen aufklärt, Kilian-Siedenburg, treffen Sie sich mit ihm, denkbar auch eine Einladung an den See im Sommer. All das auf einem Raum, der nur für Grüße gedacht war, und sie hatte es kaum vorgelesen, da suchte Renz schon bei Google nach Kilian-Siedenburg und ließ sie gleichsam allein mit der Karte – die Abendstunde vor dem Essen, jeder schon mit Glas in der Hand, und sie nahm beides, Glas und Karte, in ihr Zimmer und las dort alles noch einmal. Was wollte Bühl in dem Tal, sich auch nach Ewigem verzehren? Und warum brachte er seinen früheren Freund ins Spiel, als wollte er ihn, über diesen Umweg, gern wiedersehen. Sie verstand das alles nicht und verlor sich mit dem Glas Wein in Gedanken über die Zukunft, nicht die wirkliche Zukunft, was in ihrem Leben noch möglich wäre, nur eine kleine, nahe Zukunft, eine Reise mit Bühl, abenteuerlich wie die ersten Reisen mit Renz. Den Orinoko fahren sie hinauf, zu Orten mit einem Opernhaus, erbaut von Männern, die im Urwald ohne Puccini den Verstand verloren hätten. Sie wohnen in alten Hotels, die Böden aus Palisander, in den Morgenstunden lieben sie sich unter Netzen und gehen danach spazieren, wenn es draußen noch erträglich ist, die Sonne erst aufgeht. Nur das Geräusch ihrer Absätze in den Straßen, Bühl mit kleinen Eisen unter den Schuhen, fiese Sache, aber ein schöner Klang; ziellose Tage, jede Minute unendlich sinnvoll. Mehr brauche ich nicht, rief Renz aus dem Flur, das ist mein Mann!
    Und von ihr später beim Essen der Rat, nichts zu übereilen, sich auch mit seiner Kranken abzustimmen, mit Marlies – es wurde immer leichter, den Namen auszusprechen, als sei er ein Teil ihrer Krankheit –, und Renz hörte zu, seltsam geduldig oder schon informiert darüber, wer dieser Kilian-Siedenburg war; er hatte gekocht, das tat er seit der Rückkehr aus München, und es blieb auch in den nächsten Tagen dabei. Sie kaufte irgendetwas ein, wenn sie von der Arbeit kam, und er machte irgendetwas daraus, nicht das Gericht, das die einzelnen Sachen nahelegten, sondern etwas anderes, Eigenes, als würde er genauso vor sich hin denken, hin träumen wie sie. Ein ruhiger Winterrhythmus, auch mit Einladungen, mal sie beide bei Hollmanns, mal Elfi und Lutz bei ihnen; das Ruhige, Gleichförmige erst unterbrochen Anfang Februar, durch eine lange Mail von Bühl mit dem Betreff: Franz und ich.
    Sie war im Sender, als die Mail einging, in einem Büro vom Charme eines Wartezimmers, älterer Augenarzt, ihrem kleinen Call-Center, um von dort das neue Talkformat mit vorzubereiten, erste originelle Kandidaten aus dem Meer redseliger Prominenter herauszufischen und mit ihnen Vorgespräche zu vereinbaren, eine Tätigkeit für den späteren Nachmittag und frühen

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