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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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einer ehemals französischen Kolonie, wurde gerade berichtet, er sprach mit ihr also in seiner Sprache, fast eine innerfranzösische Angelegenheit. Man wurde sich einig, was für welche Summe wie zu geschehen habe, für ihn ein Stück Philosophie, der Dialog zwischen Kopf und Körper – ich habe einiges nachgelesen, seit ich in der Missbrauchssache tätig bin –, für das Zimmermädchen zunächst nur ein Nebengeschäft, bis sich die Frauenseele in ihr einmischte. Sie ruderte zurück, und der alte Franzose fühlte sich genau dadurch ermuntert. Ein jüdischer Bourgeois und eine Afrikanerin mit Innenleben, das Ganze auf amerikanischem Boden: ein sozialpsychologisches Chaos, das erst ein sexuelles, dann ein juristisches und noch am selben Tag ein weltweites mediales Chaos nach sich zieht – auch eine Art Geschwür, wenn man so will. Ob Marlies Schmerzen hat? Angst? Die Ärztin sprach von einem leichten Koma, hat man da Schmerzen? Kilian-Siedenburg machte den Fernseher aus, er nahm wieder Platz und öffnete sein Jackett. Sie war für mich immer ein Inbegriff von Lebenswillen.
    Marlies lebt noch, sagte Renz, sie schaut sogar noch Filme, das hat sie am Telefon erzählt. Ist das kein Lebenswillen?
    Das kommt auf die Filme an.
    Ich habe ihr den ganzen Billy Wilder mitgebracht, die alten Sachen. Manche mögen’s heiß, mögen Sie’s? Das Beste ist Tony Curtis als Frau. Noch besser als Jack Lemmon. Curtis hat später über die Dreharbeiten gesagt, Marylin Monroe zu küssen sei, wie Hitler zu küssen, woher wusste er das? Der Tony Curtis, auch tot. Wussten Sie, dass Clooney schwul ist?
    George Clooney? Kilian-Siedenburg stellte die Espressotasse auf ein Tablett für benutztes Geschirr. Ist das sicher?
    Was ist schon sicher, sagte Renz. Er griff sich ein Spiegel-Heft, die lagen tatsächlich herum, und begann von hinten zu blättern, auch eine Art von leichtem Koma – letzte Erinnerung an seinen Vater, vierzig Jahre Allgemeinarzt und Bücherliebhaber, wie der still im Rollstuhl sitzt, still die Spiegel-Seiten wendet. Sicher war nur, dass er hier blätterte, während Marlies im Koma lag; unsicher schon, ob sie noch einmal aufwachen würde. Sie war für ihn nie Inbegriff von Lebenswillen, eher von Schwäche zum Leben. Eine Erinnerung, die bleiben würde: wie sie an der Morchel gerochen hat, mit einem Blick unter den japanischen Lidern voller Schwäche für den Geruch.
    Open End, haben Sie es gesehen, fragte Kilian-Siedenburg, und Renz klappte das Spiegel-Heft zu. Ja, Glückwünsche, Sie waren gut, und Frau Streeler hat die Nerven verloren, ich kann daraus eine Szene machen, aber der Redakteur wird sie streichen. Wollen Sie zuerst zu ihr gehen? Renz stand auf, er trat mit dem Heft auf die Terrasse, ein warmer Abend, in den Bäumen die Vögel, jenseits der Kastanien ein Radweg, junge Familien, Vater, Mutter, Kind, alle drei mit Helm; er blätterte wieder und versuchte jetzt, einen Artikel zu lesen, der Versuch, nicht auch die Nerven zu verlieren. Eine neue Galaxie war entdeckt worden, ein rötlicher Nebel aus Milliarden von Sonnen, die Form geradezu weiblich. Kilian-Siedenburg trat neben ihn, schon wieder mit Espresso. Wissen Sie, was passiert ist, sagte er. Marlies hat sich von ihrem Tropf gelöst, sie ist ins Bad gegangen, wahrscheinlich auf meinen Anruf hin, dass ich gegen Abend käme. Irgendwie hat sie die Alarmvorrichtung am Bett überlistet, sie kennt sich ja aus mit elektronischen Dingen, und in der Dusche ist sie dann zusammengebrochen, ohne noch den Notknopf drücken zu können. Erst die Abendschwester hat sie gefunden, schon in dem leichten Koma infolge von Sauerstoffmangel. Ich hätte das vielleicht gleich sagen sollen. Mir als ihrem Ex-Mann wurde es gleich mitgeteilt. Sie wollte sich die Haare waschen. Marlies’ Haar verliert ja schnell die Form, aber das wissen Sie bestimmt auch. Und Clooney, der hat doch eine nach der anderen.
    Weil man davon Bilder sieht? Renz ging in die Lounge zurück. Wir sind alle irgendwie im leichten Koma, schwachsinnig vor Bildern, nur ohne die Ersatzsinne der Schwachsinnigen, die auf einmal die Sprache der Tiere verstehen. Was macht Ihr Material, ich brauche Fallgeschichten, die Namen können Sie gern schwärzen. Gibt es schon etwas? Er nahm sich jetzt auch einen Espresso, und Kilian-Siedenburg wollte gerade antworten, aber sein Telefon ging, er lief wieder ins Freie, ein Gespräch auf Englisch, so viel konnte Renz hören, während er den Artikel zu Ende las, ihn in Einklang zu bringen

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