Liebe in groben Zügen
Schlafzimmer ein Bett. Sie bauen es in der Ecke, in der jetzt der Schrank steht, und daneben Kaspers Körbchen, also ein Dreierbett, und damit sie sich wohlfühlen, es hübsch haben, wischen sie den schon gelegten, aber noch unversiegelten Holzboden sauber und kratzen sogar die Etiketten vom Fensterglas, und zuletzt stellt Kati die Bücher auf, die er wahllos eingepackt hat, zwanzig Bücher der Größe nach an der Wand. Und wie von all dem angesteckt, reißt der Himmel auf, die Sonne scheint, und sie gehen noch vor dem Mittag in den Ort und kaufen ein paar Dinge, Milch und Wein, Nudeln und Bolognesesugo, Parmesan, Tomaten, Knoblauch, Schinken und Klopapier, Butter, Brot, Cola und Marmelade, Kati hat die Liste geschrieben, in Schönschrift jeden Posten – er erinnerte sich sogar an die Reihenfolge, als es hinter San Vigilio endlich voranging –, nach dem Schinken das Klopapier, darüber lachen sie in dem alten Alimentari neben der Kirche, den es längst nicht mehr gibt. Und unter dem Wort Wein ist ein Strich, damit sie ihn ja nicht vergessen, seinen Wein; dazu noch Pappteller, Becher und Besteck. Und im Elektroladen kaufen sie an dem nun strahlenden Julitag noch zwei Kinderzimmerlampen und einen CD-Player mit Radio, das Ganze nach oben geschafft in einem Einkaufsbuggy, den gab es im Haushaltswarengeschäft; am Nachmittag befreien sie schon die Küche von allem Plastik und weihen den Kühlschrank ein, am Abend den Herd. Kati kocht die Nudeln, er streckt die Sugo mit richtigen Tomaten, viel Parmesan und dem Knoblauch, dann öffnet er den Wein, und die Kleine holt ihre Lieblings-CD aus dem Wagen, das Neuste von Boy George, das hören sie beim Essen, ihr Tisch ist der Karton, in dem die Musikanlage war. Der Abwasch entfällt, sie lassen alles stehen und liegen, gehen früh zu Bett, Kasper kommt in die Mitte, sein Körbchen bleibt leer. Jetzt haben wir’s gemütlich, sagt Kati, und so schlafen sie ein, als es draußen noch hell ist, und wachen mit den Vögeln auf, ihr erster Morgen im eigenen Haus. Vor den neuen Fenstern ein blauer Himmel, der Berg auf der anderen Seite mit seiner Spitze schon in der Sonne, Kati macht einen Tee, sie bringt ihn ans Bett, Bitte schön, sagt sie, und er kann nichts erwidern, Glück macht ihn noch stummer als Unglück – eine Stummheit wie die mit Vila nach dem ersten Kuss in der Silvesternacht zum Jahr vierundachtzig. Und auch ein Verstummen wie das, als er in seinen Sommerort einfuhr und die Frauen, die er beide lieben konnte, ohne der einen oder anderen wehzutun, schon ihre Pläne machten, gleich am Montag wollten sie auf den Markt. Wir kaufen uns Taschen, sagte Vila, geile Taschen.
Renz sah nach hinten, als sie vor der einzigen Ampel von Torri standen, Vila mit Lesebrille, sie schaute sich auf Katrins iPad Fotos an, eine Mutter der Studentin aus der Silvesternacht, und trotzdem waren das noch die Lippen, für die er sich den Schnurrbart hatte abschneiden lassen, und auch die Augen, die ihn Stunden zuvor am Frankfurter Hauptbahnhof entdeckt hatten. Was, wenn sie sich an dem Abend nicht über den Weg gelaufen wären? Keine Katrin, kein Sommerort, andere Freunde, ein anderes Leben. Er hat diesen Zufall stets akzeptiert, Vila nie – sie haben sich nur getroffen in dieser Nacht, nicht gefunden, also sagt sie: Wieso gerade du? Während er sagt: Ja, du, warum nicht? Folglich hat sie auch immer mit Liebeserklärungen gespart. Sie will den Sinn spüren, er stellt ihn her, findet Worte, baut ein Haus. Vila sieht nur, wie anders er ist, sentimental und pragmatisch, während er alles Fremde an ihr erträgt, die Sehnsucht, die Träumereien: Das Vilahafte an Vila, es ist nur kompliziert, nicht suspekt, schwierig, aber auszuhalten, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Ihr gemeinsamer Höhepunkt, das ist die Dauer, daran glaubt er, und letztlich glaubt sie das auch oder muss daran glauben, je älter sie wird. Die Ampel sprang auf Grün, und er bog in die Strada per Albisano und fuhr den Hang hinauf, beide Seitenspiegel eingeklappt, so eng wurde es mit Gegenverkehr. Vielleicht gibt es ja bei den Völkchen, die Katrin erforscht, ein Wort, das man ewigen Unpaaren hinterherruft, Individuen, wie es hier geringschätzig heißt. Aber auch das individuellste Herz ist eine leichte Beute, man muss es nur trösten, wenn es durchhängt, schon hat man es in der Hand, wie Kati seins in dem Rohbau. Wir sind da, sagte er in der Einfahrt zum Haus, und Vila hielt ihm das iPad mit einem Bild hin: Unser Töchterchen in
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