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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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ihr Haar zurück und kam auf ihn zu, und wieder konnte er nur bitten. Er bat um einen Tee, Kamille, wenn möglich, und sie lief hinter den Tresen und kam mit einem Glas heißem Wasser wieder, darin ein Beutel Kamillentee, Lipton; sie stellte es auf den Tisch und setzte sich ihm gegenüber. Von hier komme man bloß weg, wenn einen jemand mitnehme, ob er sie mitnehme. Sie lachte, aber nicht nur. Und er wärmte sich die Hände an dem Glas und sagte, nein, er müsse allein weiter, auf dem Rückweg vielleicht. Nur will er gar nicht zurück und auch nicht mit ihr durchbrennen, er kann das nicht, aber kann auch kein Heiliger sein, höchstens sich selbst ein Bruder. Das Mädchen oder die junge Frau stand auf, sie steckte sich eine Zigarette an, Come ti chiami? Eine Frage vor dem ersten Zug, wie heißt du, wenn du schon meinen Namen kennst, und er sagte etwas, und sie wiederholte es und ging mit der Zigarette ins Freie, er konnte weiterschreiben. Von draußen ihre Schritte, tippend wie sein Arbeiten; die Finger spielen endlich mit, sie wissen um jeden Buchstaben, sie fallen genau auf ihn nieder. Er ist allein und schreibt wieder, und am Anfang scheint sich alles zu gleichen, weil es nur sechsundzwanzig Buchstaben gibt, bis das Erzählen alles sich Gleichende, den Sand der Wörter durchbricht. Er erzählt von Franz und Klara, und als die Junge mit dem Fluchtwunsch vom Rauchen kommt, schreibt er die letzte Zeile und schickt sofort alles an Vila und schließt das Gerät und schiebt es ins Plastik zurück. Er dankt für den Tee, den Strom und das Internet, nimmt Stock und Bündel und verlässt die Bar, und die Mädchenfrau ruft ihm noch etwas nach, wohin er gehe, jetzt am Abend, Dove vai, Franz?, und er, über die Schulter: Weiter, immer weiter.
    Franz zeigt sich nicht, er wandert, keiner kann ihn aufhalten, keiner in ihn hineinsehen, solange er sich bewegt. Und wenn es am Ende nur noch seine Lippen sind, die sich bewegen, Worte in andere Ohren hauchen, kann nichts das eigene Ohr erreichen. Ihm hört man zu, nicht umgekehrt: Jedes Wort von ihm ein Nagel mehr an dem Kästlein in ihm. Er ist das, was er spricht, was er singt. Und ist sein Tanz, sein Fasten, die Keuschheit, ein stummer Bruder Esel. Er ist der, der die Arme ausbreitet, dürr wie Winteräste, und doch die Vögel anlockt. Und nicht der, der sich um einen Leib schlingt und am Ende einen Vogelschrei ausstößt, wenn er ein Kind macht. Er ist der, der ohne Kleid vor die Leute tritt, und weiß, was er nackt wert ist. Und der, der schreibt, wenn die Augen es dulden, Verse auf den Leidenssohn, Gesänge an den Höchsten. Tu sei forte, Tu sei grande, Tu sei altissimo, Tu sei onnipotente! Er ist der Erzähler und das Erzählte, sein Messer und sein Chirurg. Und auch die Wundmale, die man ihm glaubt: Es sind seine Worte, in anderer Ohren gedrungen, bis sie ein Bild erzeugt haben. Er ist wie Gott, nur kleiner. Aber mächtig auf Erden: so einer hat für sich zu bleiben – keine Frau, die ihm nicht erliegen würde, um es ihm später zu vergelten, je mehr sie erlegen ist. Also muss er allein lieben, unter der groben Kutte eine zarte, immer offene Haut.
    Kurz hinter Piccione wurde die Straße breiter, und er kam an eine Rotunde, ehedem Kreuzung mit Ampel, jetzt in ihrem Rund bepflanzt, in der Mitte eine Agave, an die trat er heran und ließ die Hand auf eine ihrer Spitzen fallen. Sein Vater hatte ihm Kopfnüsse gegeben, wenn er mit aufgeschlagenem Knie kam und weinte. Der Gegenschmerz muss nur stärker sein als der wahre Schmerz, und es hilft. Blut lief über den Arm, und eine Art Frieden kehrte ein. Bis Assisi waren es noch elf Kilometer, so stand es auf einem Schild. Zwei Tage würde er bleiben, es gab reichlich Agaven in der Stadt.
    *

XXI
    VILA wollte nur noch tot sein: ihre Worte am Tag nach dem Gesangsabend, keine Folge von Verzweiflung, sondern von Kopfweh. Sie hatte sich erst morgens übergeben und war danach in einer Zange von Migräne, bis es schon wieder dunkel wurde. Also noch ein Tag in dem Betonhotel, auch Renz kam kaum auf die Beine, unmöglich, sich ans Steuer zu setzen; am Abend rief er Katrin an, sie sollte den Carabinierichef auf kommende Woche vertrösten und Kilian-Siedenburg doch bitte im Krankenhaus besuchen. Aber Katrin wollte schon am Sonntag in Frankfurt sein, noch Freunde treffen vor ihrer Rückreise nach Brasilien, immer hatte sie eigene Pläne und schmiss alles um. Vielleicht vor dem Abflug in Verona, sagte sie, Vila konnte es mithören, und Renz bat

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