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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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der Fahrer bog in eine Straße, die sich im Dunkeln verlief, aber mit zwei, drei erleuchteten Schildern, davon eins über einer Lokaltür, Castillo de Farnes. Dort hielt er an, und Vila bezahlte, ihr Part aus Gewohnheit.
    Das Lokal war fast leer, und sie wählten einen Wandtisch unter einem großen, feierlich eingerahmten Schwarzweißfoto: Che und Fidel an genau dem Tisch, fünf Kellner in weißen Dinnerjacketts seitlich davon, den Stolz auf ihre Helden in den Augen, während die Helden selbst weder einen stolzen noch sonst wie zufriedenen Eindruck machen, eher versteinert herumsitzen, Che wie ein gelangweiltes Kind, trotz seiner Jugend schon in dem Gefühl, dass nichts Großes mehr kommt, und Castro, grimmige Entschlossenheit im Blick, davon ausgehend, dass Kuba bis ans Ende seiner Tage eine unerschöpfliche Geliebte bleibt; für ihn ist die Zeit nach dem Sieg alles, für Che ist sie nichts, er erscheint leblos, nur der Qualm seiner Zigarre suggeriert etwas Leben. Wie Renz und ich, sagte Vila mit Blick auf das Bild. Sie bestellte sich Hühnchen mit Reis und für Bühl nur Reis, dazu schwarzen Tee, er filmte das alte Foto. Und dein Mann, das ist Castro? Liebst du ihn noch? Die Frage, die kommen musste, weil sie immer kommt oder immer mitschwingt, wenn man Teil eines Ganzen ist, einer Familie, und sei sie noch so klein, nur Mann und Maus. Vila beugte sich über den Tisch, ein Herüberbeugen für einen Kuss; die ein, zwei anderen Gäste waren gegangen, und die Kellner, vielleicht Söhne der Kellner auf dem Foto, schauten schläfrig. Und Bühl, der beugte sich vor und nahm ihre Lippen zwischen seine, es war ein schmaler Tisch, auch Che und Fidel auf dem Foto mit geringem Abstand, vielleicht zu gering. Es heißt, Castro habe dafür gesorgt, dass sein einstiger Mitstreiter in Bolivien erschossen wird, flüsterte Bühl – ein kleines Kunststück mit dem Mund an Vilas Mund. Einer der Kellner brachte das Essen, er stellte Vila den Tee hin, Bühl das Bier, und sie tauschte es um. Trink, sagte sie und hielt ihm die Teetasse an den Mund, ein Spiel, und er machte es mit, so wie Renz bei keinem Spiel mitmachte, selbst beim Monopoly war er ausgestiegen, und sie und Katrin mussten sich Schlossallee und Parkstraße teilen. Die Kellner schauten herüber, einer rauchte, einer kämmte sich, das Lokal hatte andere Zeiten erlebt; das Hühnchen zäh, der Reis grau. Vila trank von dem Bier, sie spülte das Zähe herunter. Ich will mit dir schlafen, sagte Bühl, ruhige Worte in ihr Gesicht, als hätte er gesagt, ich will mit dir schwimmen. Aber es geht nicht, fuhr er fort, es ist noch nicht vorbei, wollen wir los? Er legte Geld auf den Tisch, er war es, der jetzt zahlte. Und er war es, der vor ihr aufstand und um den Tisch ging, ihren Stuhl abrückte, als sie selbst aufstand, der ihr die Schwingtür hielt und auf der Gehsteigseite an der Straße ging. Er war es, der die Kamera trug und den Arm um sie legte und kein Wort mehr über seine Krämpfe verlor: ihr Kavalier oder Retter dieses verstaubten Worts, das keiner mehr über die Lippen bekam. Sie gingen langsam, fast schlendernd im Dunkeln, wie ein Paar, das sich gerade geliebt hat, alle irdische Kleinlichkeit abgestreift. Nach und nach gab es Lichter und fast am Ende der Straße ein steiles Leuchtschild, Floridita. Die ewige Hemingway-Bar, sagte Vila, mehr musste sie gar nicht sagen, um weiterzugehen; ein Blick zur Theke reichte, wo der Alte mit Bart als Holzfigur einen Männerdrink nahm. Sie gingen noch das Stück zum Hotel und schafften es, Arm in Arm durch die Tür zu kommen, vorbei an zwei Schwarzen in Anzügen, ihrem Gemurmel in kleine knackende Funkgeräte.
    Das Oberlicht war schon aus in der Halle, die Nachtlampen brannten, mondblass zwischen den Pflanzen und Sofas, eine Art Niemandszeit, schon nicht mehr später Abend, aber noch nicht tiefe Nacht; nur die Musikanten saßen herum, die Hüte halb im Gesicht, und an der sonst verwaisten Bar lehnte ein Kellner, auch wie aus Holz. Vila und Bühl gingen auf ihn zu, sie bestellten Tee, fast im Chor ein leises Can we get some tea, dann gingen sie in den hintersten Winkel der Halle und ließen sich auf eins der Sofas fallen, halb versteckt hinter Bananenpflanzen im Kübel; das Sofa durchgesessen wie die Honda-Rückbank, es blieb nur eine Kuhle zum Sitzen, aber wer das Havanna-Leiden hat, der muss liegen, seinen Magen entspannen: Vila wollte es so, sie klopfte sich auf den Schoß, und Bühl tat seinen Kopf hinein, die Füße auf der

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