Liebe in groben Zügen
Ruhe ihr Haar nachdunkeln, ein paar Silberfäden verschwinden lassen. Gegen Mittag schließlich der Einkauf für die restliche Woche, sie nahm das Rad, an dem noch der Kindersitz hinter dem Sattel war, da passte ein Wasserkasten hinein. Als sie zurückkam, schlief Renz noch immer, und sie packte ihr Zeug aus, füllte die Waschmaschine, zog sich um, Jeansbluse, Seidenhose, Wildlederstiefel – Jens Podak war einer, der ans Stimmige glaubte: eine Nachtsendung brauchte eine Nachtfee. Sie traf ihn im Freien vor der Kantine, er glaubte auch noch ans Rauchen, sogar an eine Pfeife, alles an ihm roch nach süßem Tabak. Das bringen wir, sagte er bei Bühls Sonnenballbildern. Aber das Dichterding höchstens eins dreißig, zwei Fragen, zwei Antworten, der eigentliche Tipp ist die Musik, das Lokal mit den Nussschalen, die du vom Tisch fegst, das ist Bewegung, damit fangen wir an, okay? Er stopfte seine Pfeife neu, und sie besprachen noch die kommende Sendung, die Tipps für den Sonntag waren fast fertig, nur ihre Anmoderationen mussten noch aufgezeichnet werden – Übermorgen, sagte Podak. Und Havanna bringen wir erst vor Weihnachten, als Salsabonbon! Er zog an der Pfeife, und Vila sah auf ihren Kalender; sie kannte Jens Podak seit zwanzig Jahren, er hatte in Frankfurt herumstudiert, so wie sie, einmal war sie sogar in seiner Pfeifenqualmbude, um eine VHS-Kassette anzusehen, Fassbinders Effi Briest, und Podak fing danach an, über Sex zu reden, ein Verführungsversuch, damals schon frauenfreundlich, und am Schluss hatte sie ihn mit einem Vortrag über Georges Bataille und die sexuelle Vergeudung buchstäblich kleingekriegt; seitdem hielt er sie für nachtprogrammtauglich. Aber auch nicht zu nah an Weihnachten, sagte sie, und man einigte sich auf den dritten Advent, kein schlechtes Datum für etwas Karibik mit einer Prise Poesie und Sozialismus.
Auf der Rückfahrt in der U-Bahn summte ihr Telefon, eine beglückende Nachricht: Gibt es dich noch? Sie schrieb sofort zurück, Es gibt mich wieder, seit es dich gibt, Worte, die ihr Angst machten, als sie sie abschickte, als gäbe es eine Vila davor und danach, und die Vila danach müsste sie von nun an sein, Tag und Nacht – fast eine Erleichterung, als Renz ihr die Tür öffnete. Er sah besser aus als am Morgen, rasiert und ohne Augenringe, das Haar noch dunkel vom Duschen, um die Hüften ein Badetuch. Sie trat in die Wohnung, die seit Katrins Auszug zu groß war, Renz hielt ihr den Band über Che Guevara hin: ob sie in den verliebt sei. Er zeigte ihr eins der Fotos, das mit dem Goethe-Buch, auch der Name Goethe reißerisch geschrieben, er hielt es ihr hin, als könnte er Gedanken lesen, und sie sagte Ja, und Renz nahm sie in den Arm, die freie Hand unter der Seidenhose mit etwas Spielraum über dem Steiß. Und Minuten später lagen sie schon im Bett, wortlos, schutzlos, mehr als nackt, höchstens noch geschützt durch die Jahre, ihre unzähligen überstandenen Male, am Ende so erlöst wie erledigt. Es gibt nur guten Sex und schlechten, keinen gewissenhaften, das wusste sie längst und wollte nichts weiter als sich auflösen im Halbdunkel, auf keinen Punkt kommen, sondern zerfließen, Mach, sagte sie, ihre ganze Rede im Bett, und Renz wollte das Gegenteil. Er wollte sie füllen und in ihr zerplatzen, der Frau, die ihn als Einzige wieder zusammensetzen und auf die alten Beine stellen konnte. Hilf mir, sagte er, seine ganze Rede, denn da war nicht genug, sie damit auszufüllen, auch wenn sie ihm half, das wenige wie ein weiches Tier in das Nest zu schieben, aus dem es gefallen zu sein schien, einmal, zweimal ihr Versuch, dann rollte sie sich zur Seite, und Renz schlang von hinten die Arme um sie. Er drückte den Mund in ihr Haar, an ihr Ohr, komm, Vila, hilf mir, also half sie ihm noch einmal, damit Ruhe wäre, Frieden, für Sekunden drang er ganz in das Nest, wie verwandelt, und Sekunden später war schon alles vorbei – kein Zerplatzen, auch ein Zerfließen. Sie duschte danach, ihm reichte das Waschbecken. Gehen wir noch etwas essen, rief er ihr zu; der letzte Tagespunkt.
Sie aß ihr Steinpilzrisotto, Renz Kalbsleber mit Salbei. Er wollte über Katrin reden, was ihr wohl mehr den Kopf verdreht hatte, der Forschungsauftrag oder dieser Kubaner, und sie sagte dazu nichts und kam auf Assisi zurück: warum dort, warum nicht woanders? Sie stieß mit ihm an, ihren Lugana gegen seinen Ripasso, und er wiederholte die Zweiteilerversion: ein Arbeitsaufenthalt, die Mattrainer sollte ein
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