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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Bild von der Kulisse bekommen, eine Version, die er schon glaubte, so gut war sie. Die Mattrainer, sagte Vila hinter ihrer Serviette, heißt Marlies, nicht wahr, und wurde in Assisi ins Bett gelegt, hat es da noch geklappt? Sie leerte ihr Glas und stand auf, jemand winkte ihr zu. Am einzigen Ecktisch saßen die Schaubs, Elke und Jochen, sie beim Hörfunk, er Handchirurg, zwei aus dem Anhang von Elfi und Lutz, kinderlos mit schöner Dachwohnung. Vila winkte zurück, schon im Gehen, und Renz zahlte hastig, auf dem Teller noch die halbe Leber; er holte sie vor dem Lokal ein. Bleib stehen, rief er und sah sie an, wie Bühl sie nie angesehen hatte – Liebende sezieren einander nicht mit Blicken, als sei der andere ein entnommenes Organ, frei zur Erforschung. Ihre Blicke geben Trost oder beglücken, ein Hinschauen, kein Mustern. Lass mich, sagte sie und lief einfach weiter, froh, dass es dunkel war, die Winterzeit nahte.
    UND in Havanna war noch heller Nachmittag, ein Himmel wie aus Gries, als Bühl im kleinen Parque Central sein Telefon anmachte, für ihn nur das Ding , gekauft vor einer Klassenfahrt nach Prag, um die Versackten zu erreichen. Ein paar Schritte musste er noch hin und her gehen in dem verwinkelten Park, das Telefon wie einen Kompass in der Hand, dann erschien schon Vilas Nachricht. Es gibt mich wieder, seit es dich gibt – schöne Worte, keine beruhigenden. Und Worte, die man nicht speichern musste, die sich von allein einbrannten, in einem weiterwirkten, andere Worte erzeugten, ich weiß jetzt, was ich bin für dich, nur weiß ich nicht, was daraus folgt, ich weiß ja nicht, wer du bist, es geht mir wie dem Erzähler, der sich in seine Figuren tastet und ihnen nur andichten kann, was er mit sonst wem erlebt hat oder von sich selber kennt, mit der Möglichkeit, dass es am Ende nicht passt, kein Ganzes ergibt, nur scheitert. Dich auf der Welt zu wissen, tut gut, schrieb er zurück. Und der Magen im Übrigen auch wieder gut. Ich esse real und küsse in Gedanken, B. Etwas mehr als eine Kurznachricht, schon ein Billett, so expressiv wie alle Botschaften zwischen Liebenden, die Bereitschaft, sich in einen Rausch zu stürzen, auszuliefern wie als Junge im Ruderhaus, über den Achter gebeugt, aber auch bei Cornelius, als sie im Schilf lagen und er dem Freund Latein beibrachte: das berauschende Gefühl, auf der Welt zu sein. Er schickte die Nachricht ab und verließ den Park. Noch vor dem Frühstück hatte er seinen Rückflug gebucht – kommenden Samstag wieder nach Mailand, um von dort nach Torri zu fahren und, so wie vereinbart, in das Haus von Vila und Renz zu gehen, als käme er mit frischen Eindrücken aus Umbrien zurück. Er lief ins Hotel, in sein Zimmer, und legte sich aufs Bett; erst als die Dämmerung anbrach, stand er auf und duschte in dem Bad ohne Vorhang und Fensterläden. Und als es ganz dunkel war, ging er dorthin, wo sein Vater hingegangen wäre, hätte der die Seidenstoffe auch in Havanna bekommen und nach den Geschäften abends Zeit gehabt.
    Der Prado (oder Paseo Martí, wie die frühere Stadtvillenmeile auf allen Schildern noch in Klammern heißt) war trotz etwas Licht von den Straßenlampen so dunkel, dass er kaum die Muster im Pflaster der Promenade sah. Bühl suchte nach einer der Knappgekleideten, die den Deutschkurs des Einbeinigen durchlaufen hatten, ein Interesse als Lehrer, nicht als Mann, und bald schon kam eins der Mädchen aus dem Dunkel hinter einer der Steinbänke, auf dem Arm ein Kind mit Zöpfen, also zwei Mädchen, oder richtiger, eine junge Frau und ihr kleines Mädchen, die Mutter rauchend und kaum bekleidet, schwarz auf brauner Haut, wie getarnt in dem Platanentunnel, ihr Kind noch entblößter, in Pampers. Er sprach die junge Mutter auf Deutsch an, er fragte nach ihrem Namen und sagte, dass er ihr Geld gebe, wenn sie ihm einiges beantworten würde, und sie verstand jedes Wort. Ihr Name war Mercedes, und für fünfzig Euro durfte er sie befragen. Setzen wir uns, sagte sie, willst du rauchen? Sie bot ihm eine Zigarette an, er nahm sie und ließ sich auch Feuer geben. Was passiert, wenn ein Mann mitgeht? Er blies den Rauch von der Kleinen weg; zum letzten Mal hatte er mit Marlies im Ruderboot auf dem Ossiacher See geraucht. Der Mann folgt mir einfach, sagte Mercedes. Mit etwas Abstand, wegen der Polizei. Ich gehe in ein großes Wohnhaus neben dem Plaza Hotel. Es gibt dort nur Kerzenlicht um die Zeit, und die Treppe hat kein Geländer. Alle Türen sind auf, wegen der Hitze,

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