Liebe ist der größte Schatz
unverzüglich durch die Terrassentür geflohen. Andererseits würde er gewiss nicht so ruhig sein Frühstück verzehren, wenn er sie in ihrer schwarzen Verkleidung durch sein Haus hätte schleichen sehen.
Sie war im Begriff, erneut nach ihrer Tasse zu greifen, doch zum Glück gewahrte sie noch rechtzeitig, dass sie sie bereits ausgetrunken hatte. Nun gut, dachte sie. Wenn der Duke of Carisbrook mir etwas zu sagen hat, dann soll er das besser außerhalb des Hauses tun. „ Ihr Bruder erwähnte, dass Sie mir eventuell ein Reitkostüm borgen könnten“, sagte sie an Lucinda gewandt.
Das junge Mädchen strahlte. „Natürlich. Kommen Sie mit auf mein Zimmer. Ich denke, das dunkelgrüne würde Ihnen gut zu Gesicht stehen. Haben Sie diese Farbe schon einmal getragen? Sie bevorzugen Pastelltöne, glaube ich, aber zu Ihrem Haar passen kräftige Farben einfach besser. Haben Sie dieses ungewöhnliche Rotblond von Ihrer Mutter geerbt?“
Angesichts Lucys Redeschwall konnte Emerald nur hilflos den Kopf schütteln. Sie legte ihre Serviette beiseite, erhob sich und folgte dem Mädchen, dankbar für den glaubhaften Grund, gehen zu können, aus dem Speisesalon.
Eine Stunde später befand sich die kleine Gesellschaft – Taris und Lucinda hatten sich Emerald und Asher angeschlossen – auf dem Weg nach Thornfield, einem kleinen Ort in der Nähe von Falder. Nachdem Emerald sich zunächst sehr unbehaglich gefühlt hatte, saß sie nun sicher im Sattel und begann den Ausflug zu genießen. Lucinda ritt neben ihr und plauderte lebhaft über ihre Kindheit, während Taris Wellingham seinem Bruder, der die Führung bildete, in einigem Abstand folgte. Emerald beobachtete ihn, wie er lauschend den Kopf hob und sich auf den Hufschlag des Pferdes konzentrierte, um herauszufinden, wie das Gelände vor ihnen beschaffen war. Hin und wieder rief Lucy ihm eine Warnung zu, wenn der Weg uneben wurde. Asher dagegen bemühte sich nicht im Geringsten, seinem Bruder zu helfen, und Emerald fragte sich unwillkürlich, ob sein seltsames Gebaren etwas mit den Umständen zu tun hatte, unter denen Taris annähernd erblindet war.
Thornfield war ein malerisches Küstendorf mit einer belebten Geschäftsstraße. Der Ort erstreckte sich um die Hafenbucht, an deren Mole ein Segelschiff und ein paar Dutzend Fischkutter vertäut lagen.
Während Emerald ihr Pferd zum Stehen brachte und das Schiff betrachtete, half Asher seiner Schwester aus dem Sattel.
„Gehört das Schiff Ihnen?“
„Uns“, betonte er. „Das ist die ‚Nautilus‘. Sie wird gerade startklar gemacht für ihre Reise nach Indien. In Kalkutta wird sie Seide an Bord nehmen.“
„Sie sieht beeindruckend aus. Wie viele Knoten macht sie?
„Verstehen Sie etwas von Schiffen?“
Emerald verwünschte sich für ihre verräterische Bemerkung und log: „Liam hat sich immer für Schiffe interessiert. Vermutlich habe ich mir einiges von ihm angeeignet.“ Rasch saß sie ab und wandte dem Hafen den Rücken zu. Sie war froh, dass die Krempe ihres Sonnenhutes breit genug war, um ihre Augen zu verbergen. So würde niemand gewahren, wie sehr sie sich danach sehnte, an Bord eines Seglers zu gehen, um an der Reling zu stehen und sich den salzigen Wind um die Nase wehen zu lassen, wenn er in See stach.
Ein lauter Ruf erscholl und lenkte sie von ihren Gedanken ab. Sie drehte sich um und sah jemanden auf sie zueilen.
„Ich hatte gehofft, Sie heute zu treffen, Euer Gnaden“, sagte der Mann atemlos, kaum dass er die Ausflügler erreicht hatte. „Es gab einen Einbruch in die Kapitänskajüte der ‚Nautilus‘ letzte Nacht. Das Türschloss ist aufgebrochen und einige Papiere sind durchstöbert worden, doch soweit ich es einschätzen kann, wurde nichts gestohlen.“
„Ist der Mannschaft etwas aufgefallen?“
„Nein, nichts. Davis sagt, er hörte irgendwann nach Mitternacht Geräusche, nahm jedoch an, dass ich gerade die Taue überprüfe.“
„Stellen Sie heute Nacht doppelt so viele Wachposten auf“, befahl Asher. „Und Silas soll seinen Hund an Bord bringen.“
Emerald straffte sich. Hatten Azziz und Toro das Schiff durchsucht? Ich muss die beiden unbedingt warnen, dachte sie, als eine elegant gekleidete Dame um die vierzig sich zu ihnen gesellte. Begleitet wurde sie von einem jungen Gentleman, dessen Blick fest auf Lucinda geheftet war.
„Ich wusste nicht, dass Sie bereits diese Woche auf Falder sein würden, Wellingham“, rief die Dame und lächelte erfreut.
„Darf ich Ihnen Lady Emma Seaton
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