Liebe ist der größte Schatz
Begehren aneinander.
Emerald vergaß die Zeit, vergaß, wo sie war und all das, was ihr Angst bereitete. Es verlangte sie nach Asher, nach seiner warmen Haut, nach den kühlen salzigen Spritzern des Meerwassers auf ihren glühenden Wangen. Sie wollte ihn noch inniger spüren und gewahrte nicht einmal, wie er die Schleife unter ihrem Kinn löste und ihr den Hut vom Kopf schob, um mit den Fingern durch ihre Locken zu fahren. Es hungerte sie danach, von ihm genommen zu werden, seinen männlichen Körper zu ergründen und seine entblößte Haut auf ihrer zu fühlen. Eine fieberhafte Erregung erfasste sie und bereitete ihr einen süßen Schmerz zwischen den Schenkeln und ließ die Spitzen ihrer Brüste hart werden.
Ich will mehr, rief sie unhörbar. Sie sehnte sich danach, ihm die Worte ins Ohr zu flüstern. Und als er von ihr abließ, versuchte sie ihn zu halten und ihn erneut zu küssen, doch er hinderte sie daran, indem er sie an seine Brust zog und seine Hand um ihren Nacken legte.
„Emma …“ Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern.
Er atmete schnell und sein Herz raste wie wild, und Emerald wusste, dass er ihre Gefühle erwiderte. Dass sie sich in den Armen lagen, war nicht einseitig, nicht ihr Fehler. Sie schmiegte die Wange an sein Revers und konnte sich nicht dazu bringen, zu ihm aufzublicken.
„Es tut mir leid, das hätte nicht geschehen dürfen“, sagte er. „Mein Gebaren ist durch nichts zu entschuldigen. Ich hätte Sie nicht …“ Er brach ab, und der schrille Schrei einer Möwe ertönte über der See.
Es tut ihm leid?, fragte Emerald sich enttäuscht. Sie trat einen Schritt zurück und straffte die Schultern. Er entschuldigte sich für diesen wunderbaren Augenblick? Die Männer, die sie kannte, hätten sich freiheraus genommen, was sie ihm gerade angeboten hatte, ohne sich um die Folgen zu scheren. Nicht so Asher Wellingham. Nein, nicht er. Verwirrt senkte sie den Blick.
Himmel, was jetzt? Es war zu dumm, dass sie seine Hilfe benötigte, um in den Sattel zu steigen. Doch zum Glück sagte er nichts mehr, sondern reichte ihr stumm den Hut, der indessen in den Sand gefallen war. Er versuchte nicht einmal, mit ihr Schritt zu halten, als sie auf das Tal zutrabten, das nach Falder führte.
Endlich in ihrem Zimmer angelangt, sank Emerald auf ihr Bett und versuchte zu Atem zu kommen. Sie war von den Stallungen bis hierher in den ersten Stock gelaufen – in einer Geschwindigkeit, die alles andere als damenhaft galt. Kaum hatte sie sich einigermaßen beruhigt, erhob sie sich wieder und stattete ihrer Tante einen Besuch ab. Miriam saß am Fenster und war in ein Buch vertieft.
„Was ist geschehen, Kind? Du siehst aus, als wäre dir ein Geist begegnet.“
Emerald setzte ein Lächeln auf. Von einem Geist konnte wahrlich nicht die Rede sein. Ashers liebkosende Lippen hatten sich in ihr Gedächtnis eingebrannt, und allein der Gedanke an seinen Kuss brachte Emeralds Herz zum Rasen.
Sie schenkte sich ein Glas Wasser ein und musterte ihre Tante. „Du siehst besser aus, Miriam.“
„Wenn du den Stock finden würdest, wäre ich im Handumdrehen wieder gesund.“ Lady Haversham beendete den Satz mit einem bellenden Husten, und Emerald biss sich besorgt auf die Lippe. Nach der Begebenheit am Strand war sie sich nicht mehr sicher, ob der Duke of Carisbrook sie nicht schon vor Ende der Woche vor die Tür setzen würde. Dabei wäre es unverantwortlich, die Tante in dieser Verfassung den Strapazen einer Reise auszusetzen.
„Es gibt einen Kartenraum am Ende des Ostflügels. Ich habe ihn gestern entdeckt, als ich einen Spaziergang durch den Rosengarten machte“, fuhr Miriam fort, als der Anfall vorüber war.
Emerald horchte auf. „Beim Rosengarten, sagst du?“
„Ja. Der Garten grenzt an die Familiengruft und wurde zu Ehren der verstorbenen Duchess of Carisbrook angelegt, wie mir der Gärtner verriet.“
„Melanie Wellingham ist tot und wurde hier auf Falder beerdigt?“
„In der Tat – wie ihr Sohn.“
„Ihr Sohn?“
„Eine Totgeburt, drei Jahre, bevor sie starb.“
Emerald war bestürzt. Diese Neuigkeiten änderten alles. Der Duke of Carisbrook hatte seine Frau geliebt. Er liebte sie noch immer. Er trug ihren Ring und hatte eigens zu ihrem Andenken den Rosengarten anlegen lassen. Nun wurde Emerald auch klar, aus welchem Grund er sich so mühte, den heiligen Stand der Ehe zu umschiffen. Plötzlich ergab alles einen Sinn.
Sie, Emerald, war nur ein kleiner Abstecher auf seinem
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