Liebe ist der größte Schatz
Hoffnungsschimmer in dem ganzen heillosen Durcheinander. Womöglich war doch nicht alles verloren und Emerald hatte die Wahrheit gesagt, als sie ihm ihre Liebe gestand.
Er stellte sich vor, wie sie in Samt und Seide gehüllt mit ihm über das Parkett schwebte und ihn selig anlächelte.
Wann hatte sie jemals unbeschwert lachen dürfen in ihrem Leben? Wie viele heitere Stunden mochte sie im Haus ihres Vaters erlebt haben?
Er betrachtete seine verstümmelte Hand. Heute spürte er keinen Schmerz, glaubte nicht, die Finger wären noch an Ort und Stelle – ein Gefühl, das ihn stets zur Verzweiflung gebracht hatte. War nicht auch diese erfreuliche Erkenntnis ein Zeichen dafür, dass sich sein Leben zum Besseren änderte?
Vor fünf Jahren war sein Schiff von den Piraten überfallen worden. Er rechnete kurz nach. Emerald war ungefähr sechzehn Jahre alt gewesen, jünger als Lucinda jetzt, gleichwohl hatte man zu diesem Zeitpunkt bereits von ihr erwartet, dass sie gegen ausgewachsene Männer kämpfte. Die Narben in ihrem Gesicht und an ihren Händen bestätigten, dass es so gewesen war.
Bei Gott, dachte er zähneknirschend. Wenn Sandford in diesem Augenblick vor mir stünde, würde ich ihn ein zweites Mal töten für das, was er seiner Tochter angetan hat. Ihr war es nie mals vergönnt gewesen, das Leben eines behüteten und von der Unbill der Welt abgeschirmten Mädchens zu führen.
Und doch wusste sie, was es bedeutete, loyal zu sein und Verantwortung zu übernehmen – womöglich dank freundlicher Dienstboten und ihrer Tante Miriam, die sie nicht von sich gestoßen hatte. Auf der Lichtung, als McIlverray und seine Kumpane auf dem besten Weg gewesen waren, ihn umzubringen, hatte sie nicht gezögert, ihm zu Hilfe zu eilen und ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen.
Weshalb hätte sie das tun sollen, wenn es ihr nur um die Karte ging?, fragte er sich. Weshalb hätte sie sich mir mit all ihrer Leidenschaft und Zärtlichkeit hingeben sollen, wenn sie lediglich eine Wiedergutmachung leisten wollte?
Ich liebe dich, hörte er sie wieder sagen. Vielleicht hatte sie wirklich die Wahrheit gesprochen und etwas Besonderes gemeint, etwas, das tiefer ging und von Dauer war. Sehnsucht keimte in ihm auf. Asher legte seine Handflächen an die kühle Wand und mahnte sich, einen klaren Kopf zu bewahren.
Emerald saß aufrecht in ihrem Bett und verzehrte das Abendessen, das man ihr gebracht hatte. Asher war seit gestern Morgen nicht mehr bei ihr gewesen, Miriams Auskunft nach befand er sich geschäftlich in London.
Lucinda und ihre Mutter hatten sie heute früh besucht und kein Hehl daraus gemacht, dass sie größte Bewunderung für sie empfanden. Ihren richtigen Namen hatten die beiden noch ein wenig verunsichert ausgesprochen, und auf Lucindas vorsichtige Frage, ob Emerald womöglich ihr Retter Liam Kingston gewesen sei, nachdem sie Ashers Aussagen zufolge so geschickt mit dem Degen umgegangen war, vermochte Emerald nur noch zu nicken. Lucinda war auf entzückende Weise errötet und hatte sich beschämt vorgehalten, dass sie nicht selbst darauf gekommen war.
„Sie haben uns allen das Leben gerettet“, hatte das Mädchen betont, „und ich weiß nicht, wie wir das jemals wiedergutmachen können.“
Emerald kam diese Großzügigkeit unangemessen vor, bedachte man, dass die McIlverrays aus demselben fragwürdigen Grund nach England gekommen waren wie sie. Indes hatte sie die Hand der Dowager Duchess gern ergriffen und fest gedrückt. Sie musste es der alten Dame hoch anrechnen, dass sie ihre Narben ohne die geringste Bestürzung zur Kenntnis genommen hatte und Emerald so nahm, wie sie war. Ihre Gnaden wusste genau, wessen Tochter sie war, und trotzdem hatte sie ihr herzlich gedankt.
Für einen Moment war Emerald gerührt und geschmeichelt gewesen ob der großzügigen Geste der alten Dame – die allen Grund hatte, sie zu hassen.
Zu ihrem Verdruss stiegen ihr Tränen in die Augen. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, dass Lucinda, Taris und die Dowager Duchess sie mochten.
Ashers Familie.
Wenigstens würden die Wellinghams sie in guter Erinnerung behalten. Emerald wischte sich über die Wangen. Sie weinte niemals. Niemals im Leben.
Als die letzten Sonnenstrahlen hinter den Hügeln verschwanden, klopfte es an die Tür. Diesmal war es Taris, der um Einlass bat, und nachdem sie ihn aufgefordert hatte, näher zu kommen, trat er vorsichtig auf ihr Bett zu. Emerald sah sofort, dass er sich in diesem Zimmer nicht gut auskannte. Er
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