Liebe und andere Parasiten
bleiben würde, ob er nun Kinder zeugen konnte oder nicht. Er würde sie heiraten, wenn sie mochte. Wenn sie miteinander skypten, war er davon voll und merkte gar nicht, wie still sie war und wie sie es darauf anlegte, dass er redete und ihr von seinen Erlebnissen berichtete, sie hingegen ihm so wenig wie möglich von sich erzählte.
Sie erzählte ihm, dass Dougie ausgezogen war, ohne einen Grund zu nennen. Alex meinte, es sei an der Zeit gewesen, dass sein Bruder weiterzog, und er sah sie auf dem Bildschirm kurz lächeln. Er fragte, ob sie ebenfalls erleichtert sei, und sie nickte und sagte Ja.
Alex’ Flugzeug landete an einem Vormittag unter der Woche in Gatwick, und da Bec Termine hatte, kam sie erst um sechs Uhr abends nach Hause. Alex war schon seit dem frühen Nachmittag da. Er hatte eine Stunde geschlafen, sich gewaschen und sich nervös im Haus zu schaffen gemacht. Alle paar Minuten schaute er auf die Uhr, wechselte zweimal das Hemd und ließ sich aufgeregt durch den Kopf gehen, was er sagen wollte.
Bec hatte mit sich gerungen, ob sie Alex erzählen sollte, was geschehen war. Sie hatte Dougie bereits per SMS mitgeteilt, sie werde es ihm sagen, und er hatte nicht geantwortet. Doch als sie die Haustür aufmachte und Alex’ Namen rief, hatte sie immer noch keinen Entschluss gefasst. Sie gewöhnte sich langsam an die innere Sperre, die zwischen dem Wissen, dass sie es ihm sagen sollte, und dem tatsächlichen Aussprechen der Sache stand. Die Sperre zwischen dem Wissen um das richtige Handeln und dem Handeln selbst wurde ihr zu einer Schutzwand, hinter der sie sich verkroch.
Sie hörte Alex die Treppe herunterkommen und zögerte, weil sie auf einmal fand, sie hätte mehr Mühe auf ihr Aussehen verwenden sollen. Sie rieb sich die Hände – sie waren ein wenig feucht –, und weil ihr nichts anderes einfiel, strich sie sich damit über Bluse und Rock. Als Alex erschien, nahm sie die Hände vom Körper und drückte die Fingerspitzen in die Handfläche. Sie lächelte, und in ihrer hochgradigen Verunsicherung kam ihr das Lächeln schuldbewusst vor. Er würde fragen, was los war, dachte sie. Er war sonnengebräunt, das machte ihn attraktiv.
Bec war anders als in Alex’ Erinnerung. Das Gesicht gerötet, und er meinte, ihr Herz schlagen zu hören. Er war gerade vom anderen Ende der Welt hergeflogen, und sie war von der Straße hereingekommen, und doch schien es ihm, als wäre er nicht fort gewesen und sie käme aus weiter Ferne, von einem Ort, an dem er noch nie gewesen war und an den sie sich, wenn er nicht allen Mut zusammennahm, erneut ohne ihn begeben würde. Sie sah aus, als hätte sie andere Luft geatmet und sich von einer anderen Sonne bescheinen lassen. Wenn sie mit ein und derselben Geste von ihm fortgehen und sich ihm völlig unterwerfen könnte, dachte er, würde sie es tun. Panik erfasste ihn, und ihm schien, dass sie die ganze Zeit schon auf einer Fahrt über ihn hinaus zu etwas Höherem war und dass er sich ihr nicht gewachsen gezeigt hatte. Aus der Furcht stieg eine dicke Hormonwolke aggressiver Geilheit auf, und wenn er, davon zu ihr getrieben, überhaupt so etwas wie einen Gedanken im Kopf hatte, dann den, dass Bec zu umarmen und festzuhalten ihm wichtiger war als Leben oder Tod.
Einen Moment verhielt sie sich begrüßend und versuchte, ihn zu küssen. Sie wollte etwas sagen. Ihre Lippen berührten sich, und Alex fasste mit beiden Händen den Saum ihres engen Rocks und zog ihn ihr über die Taille, und sie legte den Kopf in den Nacken und blickte ihm in die Augen. Sie schnallte seinen Gürtel auf, während seine Finger sie fanden.
Als ihnen auf dem Fußboden im Flur langsam die Kälte unter die nackte Haut kroch, sagte Alex: »Wir könnten heiraten.«
»Was ist mit Kindern?«, sagte Bec.
»Ich will das nicht mehr so verbohrt betreiben. Ich will nicht mehr so egoistisch sein. Es soll mir egal sein, ob sie meine Gene haben oder nicht. Warum weinst du?«
»Du kannst doch nicht deine Meinung einfach so ändern.«
»Das ist doch gut, oder?«
»Ich weiß nicht.«
Bec fühlte seine Enttäuschung wachsen. Er sagte: »Du willst nicht heiraten.«
Bec presste ihr Gesicht in das Dunkel seiner Brust. »Natürlich will ich das«, sagte sie.
Vierzehn Tage später ging Bec wieder zur Apotheke. Diesmal stand ein einziges Wort im Fenster des Teststäbchens: »schwanger « .
64
Es war spät am Vormittag. Alex hatte das Haus verlassen, um die Voiceovers einzusprechen, und Bec saß allein in der Küche und
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