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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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nicht?«
    »Du hast gesagt, du gehst mit Chris und Leah in den Zoo, und hast sie einen zweistündigen Film über die Inquisition sehen lassen.«
    »Ich konnte nicht ahnen, dass er realitätsgetreu sein würde.«
    »Du hast Peter ein Pfund für jede Ungereimtheit versprochen, die er in der Bibel findet.«
    »Wenn du mich schon wieder angreifen willst, nur weil ich deinen Kindern ein wenig die Augen öffnen möchte, dann kannst du gleich nach Hause fahren.«
    »Auf dem Weg hierher dachte ich: Er kann das als Liebeszeichen deuten oder aber als Streitgrund. Es gäbe überhaupt kein Problem, wenn du uns annehmen würdest, wie wir sind. Und selbst wenn nicht, solltest du zulassen, dass ich mich um dich kümmere.«
    »Bist du im Ernst der Meinung, dass Shane nach seinem Tod unendlich lange gefoltert wird, nur weil er für sein Vergnügen einem anderen Kerl das Hemdchen lüftet?«
    »Das ist der Weg, für den er sich entschieden hat«, sagte Matthew. »Ich sage nicht, dass ich ihn verstehe. Wenn es nach mir ginge, würde ich jeden retten.«
    »Ich habe ihn schon gerettet!«, sagte Harry und wedelte mit dem Mantel seines nicht existierenden Hundes vor dem Gesicht seines Sohnes herum. »Ich habe diesen Mann gerettet. Nicht Gott. Ich!«
    22
    Alex flog über den Nukleus einer menschlichen Zelle, richtete den Blick auf die Schäfte der Mikrotubuli, die auf die ferne, zitternde Hülle um den zytoplasmatischen Ozean zustrebten, dann wieder zurück auf die gewundenen Grate des Golgi-Apparats mit den Schwärmen der glitzernden Proteine, die sich alle mit dem Austreten zusammenzogen, als ob sich Millionen offener Hände zu Fäusten ballten. Er tauchte in sie ein, und jedes Protein enthüllte sich als eine Form auf der Kippe zwischen Leben und Chemie, ein Gebilde von äußerster Feinheit und Präzision, und er zählte die Umläufe der Atome, wie sie sich drehten und vereinigten, Klick um Klick um Klick. Er nahm das Geschehen teils visuell wahr, wie durch trübes, von Sonnenstrahlen erhelltes Wasser, teils als biomathematische Werte und teils über die materielle Mnemotechnik unter seinen Fingerspitzen. Es kostete ihn große Anstrengungen, dorthin zu gelangen, und er konnte es nicht lange halten – kürzer als sonst in dieser Zeit, in der sich in der Welt außerhalb seines Kopfes so viel veränderte.
    Auf der Schwelle von Alex’ Arbeitszimmer stand Maria und beobachtete ihn. Er saß gebeugt mit dem Rücken zu ihr und machte mit dem Kugelschreiber in seiner Linken jähe, kurze Striche, die nicht nach Schreiben aussahen. Mit der Rechten griff er sich eine Reihe von Gegenständen auf seinem Schreibtisch, drehte sie in der Hand, stellte sie um: eine Kindergießkanne, einen Spielzeughahn, zwei ineinander verschlungene Holzringe, eine Eieruhr, einen aufziehbaren Delfin. Vor ihm, um ihn herum und auf seiner Computertastatur lagen verstreut die bunten Kugeln und Metallstäbe eines Molekülmodells.
    Während er wieder an die Oberfläche kam, sang er, ohne es zu merken, einen Werbejingle: » Imagine for a moment / Real fruit as chewy as Fruitella.« Dann erst bemerkte er Maria.
    Sie sagte: »Ich habe eine Idee: Wir könnten uns trennen und uns andere Partner suchen, solange wir noch jung genug sind.«
    Alex’ Stirn legte sich in Falten, und er lächelte und lehnte sich in ihre Richtung. »Ich sehe die Vorteile dieser Lösung, und ich sehe drei Dinge, die dagegensprechen«, sagte er. »Erstens würdest du mir fehlen. Zweitens –«
    »Ich wünschte, du würdest aufhören, Plädoyers zu halten, wenn ich mit dir zu reden versuche«, sagte Maria. »Und ich mag diesen Gesichtsausdruck nicht. Kannst du mir nicht mal deine Aufmerksamkeit schenken, ohne immer dieses Geiergesicht aufzusetzen? Lächelnd und stirnrunzelnd zugleich.«
    »Du willst dich gar nicht trennen?«, sagte Alex.
    »Du offensichtlich schon.«
    »Du hast damit angefangen.«
    »Ich wollte sehen, was du denkst. Jetzt weiß ich es.«
    Die Einsicht, dass er seine Liebste gerade verletzt hatte, schmerzte Alex mehr als die Möglichkeit, die Entscheidung irgendwann einmal zu bedauern. Er ging gern auf Marias Vorschlag ein, sie sollten weiter zusammen in Marias Haus in Mile End wohnen wie schon die vergangenen acht Jahre, im selben Bett schlafen, Sex haben wie gewohnt, bis einer von ihnen jemand anderen fand. Das würde es leichter machen, sagte Maria. Sie wären nicht einsam, und es war allgemein bekannt, dass Leute mit Partnern für andere attraktiver waren als Alleinstehende.
    Ein Monat

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