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Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)

Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)

Titel: Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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während sie sich um die Plätze balgen.
    Eine von ihnen, und vielleicht die lauteste, ist Mary.
    Ich wende den Kopf ab und schaue nicht wieder zu ihnen hin.
    Aber da ruft sie schon meinen Namen und will wissen, wo ich gewesen bin.
    Eine Freundin besuchen, sage ich ihr.
    Sie plumpst auf den Platz neben mir und erzählt mir, dass sie gegen Huntsville Basketball gespielt haben. Es war die Hölle. Sie haben verloren.
    »Wir haben also verloren?«, ruft sie offenbar ganz begeistert, und die anderen stöhnen und kichern. Sie nennt den Punktestand, der wirklich beschämend ist.
    »Sie haben sich feingemacht«, sagt sie. Aber es ist ihr nicht wichtig, meine Erklärung scheint sie nicht zu interessieren.
    Sie geht kaum darauf ein, als ich sage, dass ich nach Toronto fahre, um meine Großeltern zu besuchen. Lässt nur fallen, dass sie wirklich sehr alt sein müssen. Kein Wort über Alister. Nicht mal ein böses Wort. Sie kann es nicht vergessen haben. Kann nur die Szene aufgeräumt und weggepackt haben, in einen Schrank mit ihren früheren Ichs. Oder vielleicht ist sie wirklich jemand, der unbekümmert mit Demütigungen umgehen kann.
    Inzwischen bin ich ihr dankbar, auch wenn ich es damals ganz anders empfand. Wäre ich mir selbst überlassen geblieben, was hätte ich womöglich getan, als wir in Amundsen ankamen? Wäre womöglich aufgesprungen, aus dem Zug gestiegen, zu seinem Haus gerannt und hätte wissen wollen, warum, warum. Ewige Schande. So jedoch ließ der kurze Halt der Mannschaft kaum Zeit, sich aufzurappeln und an die Fenster zu klopfen, um die Leute auf sich aufmerksam zu machen, die gekommen waren, um sie abzuholen, während der Schaffner ihnen drohte, wenn sie sich nicht beeilten, würden sie nach Toronto fahren.
     
     
    Jahrelang dachte ich, irgendwann würde er mir begegnen. Ich wohnte und wohne immer noch in Toronto. Es kam mir so vor, als landete jeder irgendwann zumindest für eine Weile in Toronto. Natürlich bedeutet das kaum, dass man diese Person auch zu sehen bekommt, vorausgesetzt, man würde das irgend wollen.
    Schließlich geschah es. Beim Überqueren einer belebten Straße, wo man nicht einmal langsamer gehen konnte. Unterwegs in entgegengesetzte Richtungen. Wir starrten uns gleichzeitig an, mit nacktem Schock auf unseren von der Zeit beschädigten Gesichtern.
    Er rief: »Wie geht’s dir?«, und ich antwortete: »Gut.« Dann setzte ich noch hinzu: »Glücklich.«
    Zu dem Zeitpunkt war das nur bedingt wahr. Ich führte gerade einen längeren Streit mit meinem Mann um unsere Übernahme von Schulden, die eines seiner Kinder angehäuft hatte. Ich war an jenem Nachmittag zu einer Vernissage in eine Galerie gegangen, um mich in eine angenehmere Gemütsverfassung zu versetzen.
    Er rief mir hinterher:
    »Schön für dich.«
    Es schien immer noch so, als könnten wir aus der Menge ausscheren, könnten im nächsten Augenblick zusammen sein. Aber auch, als könnten wir unseren jeweiligen Weg fortsetzen. Was wir dann taten. Kein atemloser Zuruf, keine Hand auf meiner Schulter, als ich den Bürgersteig erreichte. Nur dieses Aufblitzen, das ich für einen Moment wahrgenommen hatte, als eines seiner Augen sich weiter öffnete. Es war das linke Auge, immer das linke, erinnerte ich mich. Und es sah dann so seltsam aus, aufgeschreckt und verwundert, als sei ihm etwas vollkommen Unmögliches eingefallen, etwas, das ihn fast zum Lachen brachte.
    Für mich war es wieder so, wie es war, als ich Amundsen verließ und der Zug mich, immer noch benommen und ungläubig, forttrug.
    An Liebe ändert sich nie etwas.

Abschied von Maverley
    V or Jahr und Tag, als es noch in jeder Kleinstadt ein Kino gab, gab es auch eins in diesem Städtchen, in Maverley, und es hieß Capitol, wie damals viele Lichtspielhäuser. Morgan Holly war der Besitzer und der Vorführer. Er mochte nichts mit dem Publikum zu tun haben – er zog es vor, oben in seinem Kabuff zu sitzen und die Geschichte auf die Leinwand zu bringen –, also war er natürlich verärgert, als die Kassiererin ihm sagte, dass sie aufhören musste, weil sie ein Kind bekam. Er hätte damit rechnen können – sie hatte vor einem halben Jahr geheiratet, und zu jener Zeit wurde von Frauen erwartet, dass sie aus der Öffentlichkeit verschwanden, bevor etwas zu sehen war –, aber er hegte eine solche Abneigung gegen Veränderungen und die Vorstellung, andere könnten ein Privatleben haben, dass er völlig überrascht war.
    Zum Glück schlug sie eine Nachfolgerin vor. Ein

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