Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)
nicht Schreibmaschine schreiben und nicht Auto fahren, nicht mal mit einem orthopädischen Schuh. Howard nahm alles in die Hand, wenn er kam. Er schaute nach den Öfen und kümmerte sich um verschiedene andere Dinge im Haus und wurde sogar in das Zimmer von Corries Vater gebeten, wenn der alte Mann in der Lage war, Besuch zu empfangen.
Howard war sich nicht sicher gewesen, wie er auf den Fuß reagieren würde, im Bett. Aber irgendwie fand er ihn rührender, einzigartiger als alles andere an ihr.
Sie hatte ihm gesagt, sie sei keine Jungfrau mehr. Aber das erwies sich als komplizierte Halbwahrheit, infolge der Zudringlichkeit eines Klavierlehrers, als sie fünfzehn war. Sie hatte zugelassen, was der Klavierlehrer wollte, weil ihr Menschen leidtaten, die sich so sehr nach etwas sehnten.
»Fass das nicht als Beleidigung auf«, sagte sie und erklärte, dass sie aufgehört hatte, Menschen auf diese Weise zu bemitleiden.
»Das will ich hoffen«, sagte er.
Dann musste er ihr etwas von sich erzählen. Nur weil er ein Kondom dabeihatte, hieß das nicht, dass er ein gewohnheitsmäßiger Verführer war. Tatsächlich war sie erst die zweite Frau, mit der er ins Bett ging, nach der ersten, seiner Ehefrau. Er war in einem erzfrommen Haushalt aufgewachsen und glaubte bis zu einem gewissen Grad immer noch an Gott. Er hielt das vor seiner Frau geheim, die als Ultralinke darüber Witze gemacht hätte.
Corrie sagte, sie sei froh, dass das, was sie taten – gerade getan hatten –, ihm keine Probleme zu bereiten schien, trotz seines Glaubens. Sie sagte, sie habe nie Zeit für Gott gehabt, denn sie habe mit ihrem Vater alle Hände voll zu tun.
Es war nicht schwierig für die beiden. Howards Beruf erforderte es, oft zu Inspektionen und Kunden unterwegs zu sein. Die Fahrt von Kitchener dauerte nicht lange. Und Corrie war jetzt allein im Haus. Ihr Vater war gestorben, und das Mädchen, das für sie gearbeitet hatte, war fort, um sich Arbeit in der Stadt zu suchen. Corrie hatte das befürwortet, ihr sogar Geld für Unterricht im Schreibmaschineschreiben gegeben, damit sie sich verbesserte.
»Du bist zu intelligent, um dich im Haushalt abzuplagen«, hatte sie gesagt. »Lass mich wissen, wie du vorankommst.«
Ob Lillian Wolfe das Geld für Unterricht im Schreibmaschineschreiben oder für etwas anderes ausgab, wurde nicht bekannt, aber sie arbeitete weiter in einem Haushalt. Was ans Licht kam, als Howard und seine Frau zusammen mit anderen zum Abendessen bei neuerdings wichtigen Leuten in Kitchener eingeladen waren. Dort bediente Lillian die Gäste, darunter auch den Mann, den sie in Corries Haus gesehen hatte. Den Mann, den sie mit dem Arm um Corrie gesehen hatte, wenn sie ins Zimmer kam, um das Geschirr abzuräumen oder das Feuer zu schüren. Aus den Gesprächen ging klar hervor, dass seine Tischdame, wie auch damals schon, seine Ehefrau war.
Howard sagte Corrie, dass er ihr nicht sofort von dem Abendessen berichtet hatte, weil er hoffte, es würde unwichtig werden. Die Gastgeber des Abends waren keineswegs gute Freunde, weder von ihm noch von seiner Frau. Ganz gewiss nicht von seiner Frau, die sich hinterher aus politischen Gründen über sie lustig machte. Ein rein gesellschaftlicher Anlass. Und der Haushalt war wohl kaum einer, in dem die Dienstmädchen mit der Dame des Hauses klatschten.
Was auch stimmte. Lillian teilte mit, dass sie überhaupt nicht geklatscht hatte. Und zwar in einem Brief. Sie habe nicht die Absicht, mit ihrer Dienstherrin zu reden, falls sie reden musste. Sondern mit seiner Frau. Wäre seine Frau daran interessiert, diese Information zu erhalten?, so drückte sie es aus. Der Brief war an die Adresse seines Büros gerichtet, die sie schlauerweise in Erfahrung gebracht hatte. Aber sie hatte auch seine Privatanschrift ausgekundschaftet. Die sie erwähnte, ebenso wie den Mantel seiner Frau mit dem Silberfuchskragen. Dieser Mantel machte seiner Frau zu schaffen, und sie fühlte sich oft verpflichtet, anderen zu sagen, dass sie ihn geerbt, nicht gekauft hatte. Was die Wahrheit war. Trotzdem trug sie ihn zu bestimmten Anlässen wie jenem Abendessen gern, anscheinend, um vor Leuten zu bestehen, mit denen sie eigentlich nichts zu tun haben mochte.
»Ich würde äußerst ungern einer so netten Dame mit einem großen Silberfuchskragen am Mantel das Herz brechen müssen«, hatte Lillian geschrieben.
»Wie soll Lillian einen Silberfuchskragen von einem Loch im Boden unterscheiden können?«, fragte
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