LIEBES LEBEN
Du bist einer der klügsten Menschen, die ich kenne, und hast definitiv Niveau. Ich würde meinen IQ jederzeit für eine Verabredung mit einem Mann tauschen.«
Brea grinst mich an, aber dann verschwindet das Lächeln. Sie starrt mit zitterndem Kinn aus dem Fenster. »Hast du Johns Gesicht vorhin gesehen? Er wünscht sich ein Baby.«
Wie kann Brea nur übersehen, dass es ihm um sie leidtut? Ich würde mein Leben geben, damit ein Mann mich so ansieht. »Er ist zutiefst geknickt. Aber im Moment macht er sich nur um dich Sorgen. Merkst du daran nicht, was andere für dich empfinden? Du bist nicht zweite Wahl. Er will keine andere. Du bist seine große Liebe.« Ich seufze und versuche es mit etwas Humor. »Jetzt weiß ich, dass du wirklich großen Kummer hast. Du hast deinen Frappuccino noch nicht einmal angerührt.«
Sie ignoriert meinen gekonnten Themenwechsel. »Und wenn ich nie wieder Kinder kriegen kann?«
»Darüber werde ich jetzt nicht reden, weil es lächerlich ist. Die Ärzte haben nichts dergleichen gesagt, richtig? Fehlgeburten kommen vor, bei jeder vierten Schwangerschaft oder so. Es war einfach Zufall.«
Brea schüttelt den Kopf. »Vielleicht wartet Gott, bis du heiratest, damit wir gemeinsam schwanger sein können.«
»Hmmm. Ich glaube, wenn bei uns beiden gleichzeitig der Hormonhaushalt verrückt spielt, wäre das gar nicht gut. Bekomm du nur ein Kind, und dann kannst du mir erzählen, wie das geht.« Ich bleibe etwa eine Stunde bei Brea, als ich es plötzlich in ihren Augen erkennen kann: Sie will John sehen. Er tigert den Flur auf und ab wie eine Raubkatze kurz vor der Fütterung. Es ist seltsam, dass John und ich so schwer miteinander ins Gespräch kommen, wo wir doch Brea gemeinsam haben. Wahrscheinlich wollen wir sie beide ganz für uns.
Aber sie gehört ihm. »Jetzt hast du sie für dich«, sage ich zu John, als er auf mich zugerannt kommt wie ein übergroßer Bernhardinerwelpe.
»Danke, Ashley.« John klopft mir auf die Schulter und umarmt mich dann unbeholfen. »Wir werden noch Kinder bekommen. Das hast du ihr doch gesagt, oder?«
Ich schaue ins Zimmer zu Brea und dann zu John. »Ich habe es ihr gesagt. Und Gott hat es ihr auch gesagt. Okay?« Ich schaue sie an, bis ein leichtes Lächeln auf ihrem Gesicht erscheint. Sie weiß es. Gott hat sie nicht verlassen.
Als ich aus dem Zimmer bin, schlendere ich die Flure entlang zur Entbindungsstation. Kann man überhaupt in ein Krankenhaus gehen, ohne dorthin zu gehen? Dorthin, wo das Leben noch ganz neu ist und lieblich nach Babypuder duftet?
Hinter dem Besucherfenster liegen drei kleine Babys. Eines ist klein und rosa und offensichtlich über seinen neuen Aufenthaltsort gar nicht erfreut. Das andere hat einen schwarzen Haarschopf und dunkle Augenbrauen. Und dann liegt da noch ein kleines Mädchen. Sie hat einen Hauch von rotblondem Haar und zarte Haut mit einem gesunden rosa Ton, und mein Herz zieht sich wieder für Brea zusammen.
Wenn man gerade meint, man hätte das Leben unter Kontrolle, lässt Gott einen Fehlpass zu, und man ist draußen!
5
Nach meinem freien Morgen und einem deshalb umso längeren Arbeitstag geht der andere Trupp (nicht die Ewigkeitssingles, sondern eine Gruppe von Anwalts- und Büroassistenten mit ein paar weiblichen Ingenieuren als Zugabe) noch etwas trinken. Normalerweise gehe ich mit, obwohl ich mich lieber an die harten Sachen halte, wie Cola Light on the Rocks. Wenn ich ganz mutig bin, gehe ich sogar so weit und bestelle sie mir mit Zitrone. Aber heute Abend bin ich einfach zu aufgewühlt wegen Brea und habe die Patente immer und immer wieder gelesen, aber sie waren einfach unverständliches Kauderwelsch. Ich würde gerne zu ihr gehen und sie aufmuntern, aber das ist jetzt Johns Aufgabe, und so fühle ich mich vollkommen überflüssig. Also werde ich einfach nur nach Hause gehen und schmollen. Außerdem läuft heute meine Lieblings-Datingshow, und wie könnte ich mein eigenes Leben besser vergessen als ein paar aufgeblasenen Weibern zuzuschauen, wie sie um eine vermeintliche Prinzessinnenkrone wetteifern.
Als ich heimkomme ist es dunkel in meiner Wohnung, bis auf jenen roten Hoffnungsschimmer: das Blinken des Anrufbeantworters. Die Versuchung des roten Blinklichtes - es spricht zu mir, lockt mich zu sich, fragt mich: HAST DU AM SAMSTAG ABEND ZEIT? Mit seinem primitiven Morsecode hypnotisiert es mich, so dass ich wie ein Schlafwandler mit ausgestreckten Armen darauf zu gehe.
Ich atme tief durch. Schon seit drei
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