LIEBES LEBEN
ich hätte es vermasselt.«
»Nein, überhaupt nicht. Sie wussten, dass du erschöpft warst - nach deinem langen Flug. Ich treffe nicht viele hübsche Anwältinnen, die noch zu haben sind. Sie freuen sich für mich.«
»Aha«, bringe ich gerade noch heraus. Und dann kommt ein unangenehmes Schweigen über uns, wie einer der häufigen Stromausfälle hier in der Gegend.
Ich versuche, einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck zu machen. Da ich im Silicon Valley lebe, habe ich Geld wohl immer für selbstverständlich gehalten, vermute ich. Geld ist überall, und Millionäre gibt es hier im Dutzend billiger. Aber ich hatte nie angestrebt, eine Person des öffentlichen Lebens zu sein. Mir genügt es, ab und zu bei Ann Taylor einzukaufen und einen Sportwagen zu fahren. Selbst mit viel Fantasie kann man mich nicht als wohlhabend bezeichnen, aber ich denke, die meisten Menschen um die Dreißig hier sind reich. Aber das hier? Diese Art von gesellschaftlichem Gehabe ist mir fremd, und ich mag es genauso wenig wie noch zappelnde Krebstiere.
»Kommen deine Eltern oft nach Kalifornien?« Ich weiß nicht, was ich ihn sonst fragen soll. Entweder das oder: Wie oft muss ich sie jedes Jahr ertragen, wenn wir nach heute Abend noch zusammen sind?
»Ein paar Mal im Jahr. Meistens auf dem Weg nach Hawaii oder Japan. Sie reisen gerne.« Kevin lehnt sich in seinem Stuhl zurück und verschränkt die Arme. Für ihn sind seine Eltern ein Vorteil für eine Beziehung und nicht der abschreckende Faktor, der sie in Wirklichkeit sind. »Genug jetzt von mir. Was machst du in deiner Freizeit?«
Ich reiße die Augen auf. Das ist die Herausforderung: die Single-Gruppe als etwas ganz Normales darzustellen. Eigentlich ist das nicht schwer, abgesehen davon, dass Kevin wahrscheinlich als Kind Polo gespielt und nicht Star Trek von der ersten bis zur letzten Folge studiert hat.
»Ich bin viel mit der Single-Gruppe in meiner Gemeinde zusammen. Manchmal schauen wir uns bei einem von uns zu Hause einen Film an. Manchmal gehen wir zu Applebee essen. So in der Art.« Ich zucke mit den Achseln, als wäre das ganz typisch. Ich erwähne nicht, dass wir immer denselben Film sehen und dass Schnellrestaurants für uns vollkommen angemessen sind. Ich sage keinen Ton von unserer Talentshowbei Starbucks, mit der wir uns öffentlich zum Gespött gemacht haben. Und wieder kommen diese ganz leichten Gewissensbisse. Ich erinnere mich an die Predigt über die Sünde des Verschweigens. Aber ich verschweige nicht wirklich offiziell etwas. Ich editiere nur ein bisschen. Das ist ein großer Unterschied.
»Arins Freund scheint dich gesehen zu haben.«
Ich drehe mich um und sehe, wie Seth mir zuwinkt, drehe mich aber wieder um, bevor ich zurückwinken kann. »Seth. Er heißt Seth.«
»War das nicht ganz verrückt, was Arin getan hat? Einfach so ins Ausland abzuhauen?«
»Vielleicht wird sie einmal Missionarin. Wer weiß?«
»Missionarin?« Kevin schüttelt den Kopf. »Nun ja, es hat schon merkwürdigere Dinge gegeben.«
»Komisch, ich kann sie mir dort gut vorstellen in ihren wilden Dreiviertelhosen. Sie hat wirklich so eine anziehende Persönlichkeit, und sie liebt das Abenteuer. Wer weiß also, wann wir sie wiedersehen werden.«
»Seth scheint ihre Abwesenheit nichts auszumachen, zumindest nicht lange, wenn ich seine Verabredung da drüben richtig einschätze. Ich kann auch nicht behaupten, dass ich sie sehr vermisse.«
Ich schaue nach hinten und sehe, wie Seth und der Rotschopf lachen. Ehrlich gesagt kann ich nicht sehen, ob der Rotschopf lacht. Ich sehe nur, wie ihre Haare schwingen, als sie ihren Kopf bewegt. Ihre Haare sind wunderschön, aber insgeheim hoffe ich, dass sie potthässlich ist.
»Seth und Arin waren nie wirklich miteinander befreundet«, erkläre ich. »Sie hatten sich gerade erst kennen gelernt, als Arin abgereist ist.«
»Aber selbst wenn sie nur ein einziges Mal miteinander ausgegangen sind - Arin hat eine Art, mit der sie dich glauben macht, sie wolle dich im nächsten Moment heiraten. Glaub mir.«
Meine Backen zucken. »Arin würde niemals absichtlich so mit einem Menschen spielen. Ich bin mir sicher, dass es nur an ihrer extrovertierten Art liegt.«
»Meine Eltern mochten sie auch, bis sie mit dem ganzen religiösen Gelaber anfing.« Er verdreht die Augen. »Ich hätte sterben können. Sie steht wirklich darauf, das sag ich dir.«
»Sie hat einen felsenfesten Glauben, das kann man nicht leugnen«, sage ich, als sei ich der Inbegriff
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