Liebesdienste / Roman
Moats Ermordung aus seinem Wohnzimmer tilgen? Und wie sollte er das Zimmer je wieder sauber kriegen? Unvorstellbar, dass die Frauen von
Hilfe
in ihren hübschen rosa Uniformen Richard Moats Gehirnmasse von Teppich und Wänden kratzten.
Im Büro gab es eine Toilette und eine winzige Küche mit Wasserkocher und Mikrowelle. Alles, was er wirklich brauchte. Im Büro konnte er einfach und frugal leben wie der Mönch, der er nie gewesen war.
In seiner Jugend hatten sie oft gezeltet – mit den Pfadfindern (Christopher passte sich mit jovialer Heuchelei an, Martin kam gerade so zurecht) und mehrmals mit ihren Eltern. Ihre Mutter übernahm dabei die Rolle von Harrys gehorsamem Unteroffizier, kochte ständig Wasser auf dem wackligen Primus-Brenner, während Harry der winzigen Truppe die dunkleren Tricks des Überlebens lehrte (Kaninchen das Genick zu brechen, Forellen zu ködern, Aale niederzuringen). Überleben, so schien es, war nicht möglich, ohne jemand anderen umzubringen.
Nina Riley war natürlich eine begeisterte Camperin. Das Leben im Freien hatte sie während des Kriegs in der Schweiz lieben gelernt, und sie belud häufig den Kofferraum ihres Bristols mit Vorräten und fuhr in die Berge ihrer Hochland-Heimat. Sie besaß ein Paar feste Wanderschuhe, ein Armeezelt und einen altmodischen Rucksack aus Leinwand mit Lederriemen, in dem sie ihre Thermoskanne und dicke Sandwiches mit Rindfleisch und Senf mitnahm. Sie kochte Wasser aus torfbraunen Bächen, um Tee zu machen. Sie angelte – Forellen aus dem Fluss oder Makrelen aus einer Meeresbucht – und briet sie zum Frühstück, bevor sie zu einer ganztägigen Wanderung aufbrach, auf der sie durchaus auf einen Verdächtigen stoßen konnte, dem es nachzuspionieren galt.
Scheint mir ziemlich zweifelhaft, Bertie. Ich glaube, unser Freund ist ein kleiner Schuft.
Bertie sagte nie sehr viel. Der Fernsehproduzent hatte Martin vorgeschlagen, dass zwischen Nina und Bertie »eine gewisse sexuelle Spannung herrschen sollte. Sie sind beide ein bisschen
langweilig
, verstehen Sie?« Martin dachte, er würde verrückt. Ob es sich so anfühlte?
Auf dem Weg vom Café zu seinem Büro kam er am Zirkus im Meadows Park vorbei. Zirkusse hatten ihn schon immer irritiert, die Artisten wirkten zerbrechlich und schienen überflüssig für den Fortbestand des Planeten, und doch schien es Martin, sie verhielten sich, als wüssten sie etwas, was er nicht wusste. Geheimnisse. Ein russischer Zirkus. Natürlich. Was sonst? Das gesamte Mütterchen Russland war gekommen, um der verlorenen Tochter Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Diese Puppe besonders, sehr guter Maler. Szenen aus Puschkin. Puschkin berühmter russischer Schriftsteller. Sie kennen?
Kafka hatte die Autorenschaft für sein Leben übernommen. Er wurde gelöscht, aus der Erinnerung und aus der Geschichte ausradiert, denn genau das hatte er Irina angetan. Er hatte sie wie Abfall weggeworfen. Er hatte sie ausradiert, und jetzt wurde er ausradiert.
Jemand war im Büro gewesen. Kein Vandalismus, der Raum war nicht auf den Kopf gestellt, es waren nur Kleinigkeiten – die Tür der Mikrowelle stand offen, und im Abfalleimer der Küche lagen eine Styroporschachtel, ein halb gegessener Burger und eine leere Coladose. Auf dem Boden lag ein Bonbonpapier, ein Stuhl stand auf der falschen Seite des Zimmers. Die verschiedenfarbigen Post-it-Blocks, die normalerweise nebeneinander auf seinem Schreibtisch lagen, waren verschoben. Es sah nicht so aus, als sei ein Dieb da gewesen, sondern als habe eine unordentliche Sekretärin nicht genug zu tun gehabt und sich den Nachmittag über gelangweilt.
Martin zog die Schubladen des Schreibtischs auf. Alles war in Ordnung, die Kugelschreiber und Bleistifte lagen ordentlich nebeneinander, die Büroklammern und Leuchtstifte befanden sich an ihrem Platz. Etwas fehlte. Martin wusste natürlich, was es war, noch bevor er die Schublade öffnete. Die CD - ROM , das Backup von »Tod auf Black Isle«, die letzte Kopie seines Romans. Er ließ sich auf den teuren Schreibtischstuhl fallen, der in der Miete inbegriffen war. Und in diesem Augenblick bemerkte er den rosa Post-it-Zettel, der auf der leeren weißen Wand gegenüber klebte. Jemand hatte eine Nachricht für ihn hinterlassen.
Fuck you, Martin
. Er spürte, wie das Herz in seiner Brust zu einem Zapfenstreich aufspielte. Vom Weckruf am Morgen bis zu seiner Einkerkerung im Four Clans war der ganze Tag unerbittlich grauenhaft gewesen.
Der Weckruf heute Morgen!
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