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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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jugendlich im Vergleich zu seiner Oberbekleidung, die immer so seriös war, und er stand vor mir, verkleidet, ein alter Mann, der sich als junger Mann verkleidet hatte, ein so vollendetes Kostüm, daß man es fast nicht wahrnahm, ein Kostüm, das in die Haut überging, und ich folgte ihm ins Badezimmer, wie ein Anhängsel, schaute zu, wie er das Unterhemd und die Unterhose auszog, auch nackt sah er mit seiner braunen glatten Haut noch verkleidet aus, und wie er sich unter dem Wasserstrahl dehnte und sich gründlich einseifte, da war nicht die kleinste Stelle an seinem Körper, die ohne Seife blieb, und wie er sich die Schamhaare einseifte, genau wie meine Mutter die ihren immer einschäumte, und ich überlegte, ob er das von ihr gelernt hatte oder sie von ihm.
    Ich dachte daran, wie ich sie im Badezimmer beobachtet hatte und wie ich mich immer ekelte vor dieser schnellen, energischen und groben Art, mit der sie ihren geheimen, zarten Körperteil wusch, wie sie mit kreisenden Bewegungen Schamhaare einseifte, als rühre sie Kuchenteig. Später, als sie dicker wurde, begann sie die Badezimmertür zu verschließen, und so hatte ich diese Bewegung nie mehr gesehen, bis jetzt, aber bei ihm kam mir das nicht abstoßend vor, eher anziehend, dieser weiße Schaum, aus dem dunkel sein wohlgeformtes Glied ragte, und ich spürte ein Prickeln am ganzen Körper, ein Prickeln des Verlangens oder der Sehnsucht, ein Gefühl, das ich auch damals gehabt hatte, in meinem ersten Leben, und damals hatte ich immer gedacht, ich möchte Schokolade, aber dieses Gefühl ging nicht weg, auch wenn ich ununterbrochen Schokolade aß, so wie ich jetzt wußte, auch wenn ich mich auf diesen Körper stürzen würde, würde das sehnsüchtige Prickeln nicht aufhören, denn es ging um eine Sehnsucht, die nicht zu stillen war.
    Er drehte das Wasser zu und stieg vorsichtig heraus, wickelte sich in ein großes Handtuch, stand vor dem Schrank und zog eine buntgestreifte Unterhose und ein lilafarbenes Unterhemd heraus, doch darüber zog er ein graues Hemd und einen dunkelblauen Anzug, als gehe er zu einer geschäftlichen Verabredung, dann holte er aus einer Schublade einen kleinen Kamm und kämmte seine Haare zurück, die Zinken zogen helle Streifen in seine braune Kopfhaut, dann steckte er ihn in die Gesäßtasche seiner Hose. Von all seinen ruhigen, routinierten Bewegungen, die ich so hoffnungsvoll verfolgte wie eine Spionin, deren Auftrag lautete, jedes Detail zu notieren und weiterzugeben, ärgerte mich dies am meisten, es schien mir so kokett, ein erwachsener Mann, dessen Frau im Sterben liegt, und er schiebt sich einen billigen Plastikkamm in die Gesäßtasche.
    Tut dir das nicht am Hintern weh, wenn du dich hinsetzt, fragte ich, und er sah mich überrascht an, fuhr sich mit der Hand über seine Rückseite und sagte, ich fühle nichts, und ich trat zu ihm und streichelte seinen Hintern durch den teuren Anzugstoff, und tatsächlich, der Kamm war nicht zu fühlen, als sei er von seinem geheimnisvollen Körper verschluckt worden, so geheimnisvoll und verzaubernd kam er mir vor, er und was mit ihm zu tun hatte, die sterbende Frau, die alte Mutter, die kam, um Abschied zu nehmen, die Unterhosen, aber ich war mir sicher, daß es in dieser Welt irgendeine Frau gab, mindestens eine, der es vollkommen normal erscheinen würde, daß er sich wusch, daß er seine Schamhaare einseifte, daß er sich anzog, um zum Flughafen zu fahren, das alles würde sie ganz normal finden, überhaupt nicht beeindruckend, und ebenso gab es auf der Welt auch eine Frau, mindestens eine, vielleicht sogar dieselbe, die jede Bewegung Jonis mit sehnsüchtigen Augen verfolgen würde, sie würde mit ihm zur Dusche gehen und zuschauen wollen, wie er sich einseift, und sie würde begeistert seine nachlässigen Bewegungen auf seiner weißen Haut betrachten, und ich mußte mich wirklich anstrengen, um den Gedanken an diese Frau von mir zu schieben, die vielleicht am anderen Ende der Welt lebte, vielleicht aber auch auf der anderen Seite der Wand, und als ich mißtrauisch einen Blick auf die Wand warf, fiel mir die Nachbarin mit dem Baby ein, wie an einen vergessenen Alptraum dachte ich plötzlich an sie und überlegte, daß ich dort bald mal babysitten müßte, unbedingt, um mir diesen Kleinen genauer anzuschauen, nicht nur sein Schafsgesicht, sondern auch seinen Körper, ich werde ihn ausziehen und seine Hautfarbe prüfen, die Form des Fußes, das Geschlechtsteil, die Ohren, das ist die einzige

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