Liebesmaerchen in New York
Sie wird es nicht glauben.«
Mitch hatte selbst gerade an Hester gedacht. Er ging ein bisschen schneller, um mit Red Schritt zu halten. »Warum gehen wir sie eigentlich nicht einfach mal besuchen?«
»Au ja!« Radley nahm Mitchs Hand. »Die Bank ist natürlich nicht halb so schön wie dein Verlag. Da darf nie jemand Radio laufen lassen oder mal schreien, aber da ist ein riesiger Tresor, wo sie schrecklich viel Geld aufbewahren – Millionen Dollar. Und dann haben sie überall Kameras, um die Leute zu fotografieren, die es klauen wollen. Mom ist aber noch nie in einer Bank gewesen, die beraubt worden ist.«
Da diese Bemerkung als Entschuldigung gedacht war, lachte Mitch. »Es kann nun einmal nicht jeder das Glück haben.« Er klopfte sich auf den Magen. Seit ein paar Stunden hatte er nichts mehr gegessen. »Aber zuerst besorgen wir uns ein paar Tacos.«
Innerhalb der soliden Mauern der »National Trust Bank« war Hester mit einem Stapel von Kreditanträgen beschäftigt. Sie durfte sich nicht allzu oft erlauben, weichherzig zu sein. Manchmal erforderten die vorgelegten Fakten und Zahlen, dass sie Nein sagte, und ein Teil ihrer Arbeit bestand darin, höfliche und unpersönliche Absagebriefe zu schreiben. Das tat sie zwar nur ungern, sah jedoch ein, dass es notwendig war.
Da sie in fünfzehn Minuten ihre nächste Besprechung hatte, aß sie, während sie die Anträge zur Genehmigung durch den Vorstand zusammenstellte, nur schnell ein Brötchen und trank dazu eine Tasse Kaffee. Als ihre Assistentin sich per Sprechanlage meldete, war sie darüber nicht gerade erfreut.
»Ja bitte, Kay?«
»Hier ist ein junger Mann, der Sie sprechen möchte, Mrs Wallace.«
»Er hat erst in fünfzehn Minuten seinen Termin. Bis dahin muss er warten.«
»Nein, nein, es ist nicht Mr Greenburg. Und ich glaube auch nicht, dass er wegen eines Darlehens hier ist. Bist du wegen eines Darlehens gekommen, Kleiner?«
Hester hörte ein ihr bekanntes Kichern und lief zur Tür. »Red? Es ist doch alles in Ordnung?«
Red war da, aber nicht alleine. Mitch stand neben ihm und außerdem der große, treuherzig dreinblickende Hund.
»Wir haben gerade Tacos gegessen.«
Hester erspähte einen winzigen Rest von Soße an Reds Kinn. »Das sehe ich.« Sie bückte sich, um ihn zu umarmen, und sah dann zu Mitch auf. »Es ist doch alles in Ordnung?«
»Ja, sicher. Wir hatten gerade geschäftlich hier in der Gegend zu tun und wollten nur mal kurz hereinschauen.« Er bemerkte, dass sie ihre farbenprächtige Verletzung mit Make-up abgedeckt hatte. Nur noch eine Spur von Gelb und Grün schimmerte durch. »Das Auge sieht ja schon viel besser aus.«
»Die Krise habe ich überlebt.«
»Ist das dein Büro?« Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, steckte er den Kopf durch die Tür. »Himmel, wie deprimierend! Vielleicht solltest du Red bitten, dir eins von seinen Postern zu geben.«
»Oh, du kannst eins haben«, stimmte Red sofort zu. »Ich war mit Mitch im Universal-Verlag und hab jede Menge geschenkt gekriegt. Mom, das hättest du sehen sollen. Die haben Millionen von Comics, und ich hab M. J. Jones und Rich Skinner getroffen. Und sieh mal, was hier alles drin ist.« Er hielt ihr seine Tragetasche hin. »Alles umsonst.«
Als Erstes empfand Hester Unbehagen. Ihre Verpflichtung Mitch gegenüber schien von Tag zu Tag größer zu werden. Aber dann sah sie in Reds vor Eifer glühendes Gesicht und lächelte. »Das hört sich ja an, als hättest du einen schönen Vormittag verlebt.«
»Es war der allerschönste in meinem ganzen Leben.«
»Achtung«, murmelte Kay, »Rosen ist im Anzug.«
Auch ohne dass es ihm hätte erklärt werden müssen, begriff Mitch, dass Rosen eine Person war, deren Wichtigkeit nicht unterschätzt werden durfte. Hesters Gesichtsausdruck und die Handbewegung, mit der sie glättend über ihr Haar strich, sagten ihm genug.
»Guten Tag, Mrs Wallace.« Rosen warf einen vielsagenden Blick auf den Hund, der sofort an seinem Schuh schnupperte. »Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass Tieren der Zutritt zu dieser Bank untersagt ist.«
»Nein, Sir. Mein Sohn ist nur gerade …«
»Ihr Sohn?« Rosen nickte Red flüchtig zu. »Guten Tag, junger Mann. Mrs Wallace, ich bin sicher, dass Sie sich an die Gepflogenheiten unseres Hauses bezüglich des Besuches von Angehörigen während der Arbeitszeit erinnern.«
»Mrs Wallace, ich lege diese Unterlagen nur schnell auf Ihren Schreibtisch. Wenn Sie so freundlich wären, sie nach Ihrer Mittagspause zu
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