Liebesmaerchen in New York
etwas so Normalem wie Blumen irritieren zu lassen. Aber als sie den Strauß entgegennahm, klopfte ihr das Herz bis zum Hals.
»Hast du schon wieder deinen Text vergessen?«
»Meinen Text?«
»Danke schön.«
»Danke schön.«
»Und jetzt solltest du sie in die Vase tun.«
Hester kam sich mehr als albern vor. »Natürlich. Komm herein.«
Mitch war ihr in die Küche gefolgt, wo sie geschickt die Rosen in einer Vase arrangierte. Ich bin eine erwachsene Frau, sagte sie sich immer wieder. Dass ich lange nicht mehr mit einem Mann ausgegangen bin, bedeutet nicht, dass ich vergessen habe, mich zu benehmen. Sie drehte sich mit der Vase in den Händen um und wäre fast mit ihm zusammengestoßen.
»Das Auge sieht wieder ziemlich normal aus.« Er berührte den schwachen Schatten unter ihrem Lid mit der Fingerspitze.
»Es war halb so schlimm.« Die Kehle wurde ihr eng. Erwachsene Frau oder nicht, sie war jedenfalls froh, dass sich in diesem Augenblick eine Vase mit Rosen zwischen ihnen befand. »Ich hole schnell meinen Mantel.«
Nachdem sie die Blumen auf den Tisch neben dem Sofa gestellt hatte, ging Hester zum Schrank. Sie hatte einen Arm im Ärmel, als Mitch hinter sie trat, um ihr beim Anziehen zu helfen. Aus einer ganz normalen Angelegenheit machte er ein sinnliches Ereignis, indem er ihr mit den Händen über Schulter und Ärmel strich und das Haar über den Mantelkragen hob.
Hester ballte die Hände zu Fäusten, wendete den Kopf und brachte mühsam ein »Danke« hervor.
»Bitte sehr.« Er drehte sie zu sich herum. »Vielleicht fühlst du dich besser, wenn wir das erst einmal aus dem Weg schaffen.«
Er ließ seine Hände, wo sie waren, und legte fest und warm seinen Mund auf ihre Lippen. Hester lockerte ihre verkrampften Hände. An diesem Kuss war nichts Forderndes oder Leidenschaftliches. Er war so verständnisvoll, dass sie zutiefst gerührt war.
»Besser?«, murmelte Mitch.
»Ich bin mir nicht ganz sicher.«
Lachend küsste er sie noch einmal. »Aber ich fühle mich jetzt besser«, erklärte er, nahm ihre Hand und ging mit ihr zur Tür.
Das Restaurant war französisch, exklusiv und von zurückhaltender Eleganz. Die blassseidenen Tapeten schimmerten im flackernden Licht der Kerzen. Die Gäste unterhielten sich gedämpft über leinenen Tischtüchern und langstieligen Kristallgläsern.
»Ah, Monsieur Dempsey, wir haben Sie lange nicht gesehen.« Der Maître kam ihnen entgegen, um sie zu begrüßen.
»Sie wissen doch, dass ich schon wegen Ihrer Schnecken immer wiederkomme.«
Lachend winkte der Maître einen Kellner herbei. »Guten Abend, Mademoiselle. Ich bringe Sie zu Ihrem Tisch.« Die kleine Nische, zu der er sie führte, war ein Platz für intime Gespräche. »Der Weinkellner kommt sofort zu Ihnen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.«
»Ich brauche gar nicht zu fragen, ob du schon früher hier gewesen bist.«
»Von Zeit zu Zeit bin ich tiefgefrorene Pizza leid. Möchtest du Champagner?«
»Gern.«
Mitchs Bestellung erfreute den Getränkekellner. Hester schlug die Speisekarte auf und seufzte beim Anblick der Auswahl. »Daran werde ich denken, wenn ich das nächste Mal zwischen zwei Geschäftsgesprächen in ein halbes Thunfischsandwich beiße.«
»Dir gefällt dein Job?«
»Sogar sehr.« Sie fragte sich, ob das »Soufflé de Crabbes« das war, wonach es sich anhörte. »Mr Rosen kann sehr lästig sein, aber er holt das Beste an Leistung aus einem heraus.«
»Und es gefällt dir, gute Leistungen zu bringen?«
»Das ist sehr wichtig für mich.«
»Was sonst noch – außer Red?«
»Sicherheit.« Sie sah ihn mit einem angedeuteten Lächeln an. »Ich glaube, das hat etwas mit Red zu tun. Eigentlich hat alles, was mir in den letzten Jahren wichtig gewesen ist, mit Red zu tun.«
Sie sah auf, als der Kellner mit dem Champagner kam und Mitch davon zum Probieren einschenkte. Sie beobachtete, wie die blassgoldene Flüssigkeit in den Kelchen perlte. »Auf Red«, sagte Mitch, als er sein Glas hob und ihres damit berührte. »Und auf seine faszinierende Mutter.«
Hester nippte und stellte fest, dass sie nie zuvor so köstlichen Champagner getrunken hatte. »Ich habe mich nie für faszinierend gehalten.«
»Eine schöne Frau, die in einer der härtesten Städte der Welt ganz alleine einen Sohn aufzieht, fasziniert mich.« Er trank und lächelte schelmisch. »Außerdem hast du fantastische Beine.«
Sie lachte, und selbst als er seine Hand auf die ihre legte, spürte sie keinerlei Verlegenheit.
Weitere Kostenlose Bücher