Liebesnaehe
ihm wird jetzt klar, dass es viel mehr als ein Spiel ist. Er erinnert sich daran, dass er herausbekommen wollte, wie die Figuren dieser Geschichte zusammenhängen, ein wenig Licht ist bereits in das verwirrende Dunkel gekommen, am einfachsten wäre es, Katharina gegenüber jetzt auch Jule Danner ins Spiel zu bringen, das aber lässt er sein, weil sie ihre Geschichte noch nicht zu Ende erzählt hat.
Er hat den Salat mit den guten Pilzen jetzt gegessen und trinkt sein Glas leer. Als die Bedienung vorbeikommt, um das Glas und den leeren Teller mitzunehmen, fragt er, welches Bier er eigentlich gerade getrunken habe.
– Du hast Ergenzinger Ochsenbräu getrunken, sagt da Katharina.
– Richtig, meint die Bedienung, Ergenzinger Ochsenbräu, so heißt es.
– Von der gleichen Brauerei gibt es auch ein Kellerbier, sagt Katharina, das solltest Du unbedingt einmal probieren, es ist noch besser als das Helle, das Du gerade getrunken hast.
– Trinkst Du eines mit? fragt er.
– In Gottes Namen, antwortet sie, setzen wir unsere Münchener Bier-Orgien fort!
– Ergenzinger Ochsenbräu …, ich habe noch nie davon gehört.
– Es war das Lieblingsbier meines Mannes, seit wir zusammen waren, lagerte ich davon immer einige Flaschen im Kühlschrank der Buchhandlung.
Er schweigt, er hat das Gefühl, dass ihm die Geschichte wieder entgleitet, deshalb steht er auf, entschuldigt sich und verschwindet nach drinnen. Jedes Detail scheint eine Rolle in dieser Geschichte zu spielen, ja, so ist es, nicht einmal ein Bier kann er erwähnen, ohne dass auch dieses Bier gleich wieder den Zusammenhang der Geschichte berührt. Er betritt noch einmal die nahe Toilette, und als er zum zweiten Mal in so kurzer Zeit in den Spiegel des Toilettenraums schaut, lacht er auf. Ergenzinger Ochsenbräu, ruft er belustigt, es ist nicht zu fassen, ich kann machen, was ich will, die Geschichte schreibt sich auch ohne mein Zutun fort! Wahrscheinlich gehört die Brauerei am Ende noch Frau Jule Danner, wahrscheinlich ist sie eine Brauereierbin oder die Erfinderin des Kellerbiers, ja, das könnte doch sein!
Er lacht weiter, dieses Lachen, bemerkt er, erleichtert ihn, er will sich den Ernst vom Leib halten, mit dem er es in wenigen Minuten zu tun haben wird. Dann aber geht er langsam wieder nach draußen und nimmt wieder Platz, zwei leere Gläser und zwei Flaschen eisgekühltes Bier stehen bereits auf dem Tisch. Er schenkt das Bier aus den Flaschen ein, dann stößt er mit Katharina an, er trinkt, das Bier schmeckt in der Tat besonders gut, es ist ein leicht trübes Bier, sehr frisch, nicht allzu herb.
– Die Liebe zu Georg hat Dein Leben also vollkommen verändert, setzt er die Unterhaltung fort.
– Nach außen hin zunächst nicht, antwortet sie. Ich habe mein schönes Buchhändlerinnen-Leben weitergelebt, ich habe mich auch weiter mit meinen Freundinnen
und Freunden getroffen. Langsam aber erhielt die Liebe immer mehr Gewicht, und ich bemerkte, dass ich manchmal bereits daran dachte, die Buchhandlung aufzugeben und zusammen mit Georg in der Galerie zu arbeiten. Ich konnte mich aber nicht richtig entscheiden, vielleicht habe ich auch gezögert, weil sich die Scheidung so lange hinzog. Doch als Georg dann geschieden war und wir kurz darauf heirateten, dachte ich, das sei das Ende der Buchhandlung.
Er schaut sie an, sie erzählt, als habe sie über das alles oft nachgedacht, so sicher und bestimmt ist ihr Ton. Anscheinend hat sie den Tod ihres Mannes inzwischen verarbeitet und überwunden, so hört sich dieses Erzählen jedenfalls an, er ist aber nicht sicher, ob er mit seiner Einschätzung richtig liegt.
Die Bedienung bringt jetzt den gegrillten Stockfisch mit Gemüse, er beginnt gleich zu essen, für einen Moment ist er erleichtert, dass er wegen des Essens nicht weiter fragen und sprechen muss. Sie schweigen beide, Katharina nimmt noch einen Schluck Bier, dann hört er sie fragen:
– Was hast Du am Nachmittag vor?
– Ich gehe ein wenig spazieren, antwortet er.
– Du gehst allein? fragt sie nach.
– Natürlich, antwortet er, ich kenne doch außer Dir niemanden hier.
– Ich kann Dich leider nicht begleiten, ich habe bis zum frühen Abend in der Buchhandlung zu tun.
– Ja, ich weiß, sagt er, dann lade ich Dich am frühen Abend in der Hotelbar zu einem weiteren Glas Ergenzinger Ochsenbräu ein. Einverstanden?
– Sehr einverstanden, sagt sie und steht auf.
– Gehst Du schon? fragt er.
– Ich muss zurück in die Buchhandlung, es ist
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