Liebesnaehe
Saum des Wäldchens erreicht hat. Kurz blickt er nach links, als er zwischen den stillen Fichten ein kleines Holzhaus entdeckt.
Er hat dieses Haus noch nie bemerkt, obwohl er es doch von seinem Hotelzimmer aus eigentlich bemerkt haben müsste. Was ist das für ein Haus?
Er geht langsam am Saum des Waldes entlang. Als er das Haus erreicht, versucht er, durch die dunklen Fenster hineinzuschauen, die Vorhänge sind aber zugezogen, so dass er nichts erkennen kann. Er geht zur Tür und klopft leise: nichts, niemand. Er drückt die Klinke herunter und wundert sich, dass die Tür sich öffnet. Der Raum ist leer, aber in einer Ecke liegt ein dunkelroter Schal. Er nimmt den Schal in die Hand und riecht daran, zweifellos, dieser Schal gehört Jule Danner, das ist ihr Geruch, das ist der Geruch, den er in ihrem Hotelzimmer wahrgenommen hat.
Was hat sie aber mit diesem Haus zu tun? Hält sie sich etwa manchmal hier auf?
Er streift einige der Vorhänge vorsichtig zur Seite und schaut nach draußen. Von diesem Raum aus übersieht man das gesamte Hotelterrain mit all seinen Herrlichkeiten: Die Zimmerfluchten, die Hotelbar, das Restaurant … – und außerdem auch die gesamte nähere Umgebung. »Alles ist reserviert, nur für Dich!« hört er seine Mutter sagen. »Ich empfehle weiter konzentriertes Rückenschwimmen, zur Feier des Tages«, antwortet sein Vater.
Sein Vater hat recht, er sollte die leichten Rückenschmerzen mit Rückenschwimmen bekämpfen. »Du übertreibst«, antwortet er seiner Mutter, dann legt er den Schal genau in die Mitte des Raumes, verlässt das Zimmer und zieht die Holztür fest ins Schloss.
Ob noch jemand im Pool schwimmt, jetzt, wo es bereits stark dunkelt? Wenn die kleinen Flutlichter zu beiden Längsseiten des Pools eingeschaltet sind, zieht das Licht sofort ganze Heerscharen von Gästen an, die sonst nie in den Pool gehen. »Die Leute haben dort rein gar nichts zu suchen«, sagt seine Mutter. »Schon gut«, antwortet er.
Er überquert einen breiten Wiesenstreifen und erreicht die Bank, auf der er gestern gesessen und eine Schwimmerin beobachtet hat. Der Pool liegt im Dunkel, das Flutlicht ist anscheinend noch nicht eingeschaltet. »Na also«, sagt er, ein wenig stolz, als hätte er selbst dafür gesorgt, dass das Licht noch nicht eingeschaltet ist.
Den Weg hinab ins Tal begleitet auf seiner Rechten ein einfaches Holzgeländer. Ab und zu hält er sich daran fest, um auf keinen Fall zu straucheln. Dann erreicht er den Pool und beugt sich kurz über das Wasser, um mit der rechten Hand die Temperatur festzustellen. Das Wasser ist lauwarm und sehr angenehm, er zieht sich aus und wirft seine Kleidung auf eine Liege. Dann springt er mit einem Kopfsprung in den Pool und dreht sich sofort auf den Rücken. Rückenschwimmen – die gesündeste Schwimmart!
Wer hat das jetzt gesagt? Hat er das gedacht oder gesagt? Oder war es etwa sein Vater? Die Gewalt des Traums nimmt allmählich ab, er denkt schon wieder etwas selbständiger. Oder täuscht er sich etwa?
Er dreht sich auf den Bauch, dann bleibt er unter Wasser und kommt nur alle paar Stöße kurz zum Luftholen nach oben. Er schwimmt gleichmäßig und lässt den Körper pfeilschnell durch das ruhende Dunkel gleiten. »Johannes, hast Du Deine Klarinette dabei?« fragt Jule Danner ihn, und er überlegt einen Moment, ob er zugeben soll, dass er sie dabeihat. Oft dreht sich vieles um seine Klarinette, das ist ihm manchmal nicht recht, denn er spielt auf diesem Instrument eigentlich nur zu seinem eigenen Vergnügen. Ja, wenn er ein brillanter Spieler wäre, dann wäre es etwas anderes!
Einige seiner Bekannten, die ihn spielen gehört haben, halten ihn aber sogar für einen guten Spieler, er wird diesen Ruf einfach nicht los. Vor vielen Jahren war er einmal für einige Tage in Venedig und ist dort, mitten im Getümmel , Woody Allen begegnet. Er hat ihn angesprochen und ihn gefragt, was er in Venedig treibe, und Woody Allen hat ihn zu einem Konzert mit seiner Band im Teatro Goldoni eingeladen. Allen spielte natürlich brillant Klarinette, das hat er später seinen Freunden und Bekannten erzählt, und die wiederum erzählten sich dann nicht nur, Johannes habe Woody Allen in Venedig brillant Klarinette spielen gehört, sondern schließlich auch, Johannes habe in Venedig zusammen mit Woody Allen in einer Bar brillant Klarinette gespielt.
Die Begegnung mit Woody Allen hat später sogar in seine Träume Einzug gehalten, so dass er manchmal das Gefühl
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