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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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Steffis Frisur. Zu ihrer Naturfarbe braun war sie erst vor etwa zwei Jahren zurückgekehrt.
    Wie war Moritz an dieses Foto gekommen?
    Sie drehte es noch einmal um. Konnte man aus den Zahlen ein Datum erkennen? Nein, die Zahlenketten ergaben für Ella keinen Sinn. Aber der Satz »Nur wir zwei« – wer war der Zweite?
    Und dann erkannte sie das Bett, und augenblicklich raste ihr Puls. Das war hier aufgenommen worden. Hier in diesem Haus, nebenan auf dem Bett. Sie hielt sich an der Schranktür fest. Moritz hatte das Foto gemacht. Steffi wusste, wo Moritz war. Sie hatte es die ganze Zeit gewusst. Und noch mehr: Sie hatte offensichtlich ein Verhältnis mit ihm. Mit dem Mörder ihrer Schwester. Ihre allerbeste, ihre einzige Freundin. Ihre allerbeste, ihre einzige Freundin mit Moritz, dem Mörder ihrer Schwester.
    Sie wollte, sie konnte es nicht begreifen.
    Dann kam ihr der nächste Gedanke. War Moritz gar nicht ertrunken? War er bei Steffi in New York? Mit falschem Pass, falschem Lebenslauf und einer neuen Zukunft an Steffis Seite?
    Aber warum? Wieso? Wie passte das alles zusammen? Wann hatte Steffi ihn entdeckt? Und weshalb hatte sie Ella nichts davon erzählt?
    Ella sah sich um. Ein Stuhl stand in der Ecke. Sie musste sich setzen, sie musste denken, es drehte sich alles in ihrem Kopf.
    Hatte Moritz Steffi kontaktiert? Das wäre leicht gewesen, sie hatte noch ihren Mädchennamen und lebte noch in ihrer Heimatstadt. Das Internet hätte sicherlich auf mehrere Arten bereitwillig Auskunft gegeben.
    Aber was konnte er von ihr gewollt haben?
    Wie hatte er es angefangen? »Hi Steffi, nicht erschrecken, ich bin es, der tot geglaubte Moritz?«
    Hatte er sich bei seinen Eltern auch gemeldet? Aber warum erst jetzt? Nach so vielen Jahren? Warum sollte er das Risiko eingehen, dass Steffi direkt zur Polizei läuft? Steffi aber hatte es nicht einmal ihr erzählt, ihrer besten Freundin. Warum?
    Ella fand keine Antworten.
    Sie betrachtete das Foto. So glücklich hatte sie Steffi selten gesehen. Sie strahlte förmlich von innen heraus. So strahlt nur ein Mensch, der über beide Ohren verliebt ist, dachte Ella.
    Dann fiel ihr ein, was Steffi zu ihren Schweden-Absichten gesagt hatte: Man sollte Gespenster besser ruhen lassen.
    Sie wollte Ella von ihrer Suche abhalten!
    Wie war das alles passiert?
    Kurz entschlossen griff sie nach ihrem Smartphone. Das konnte ihr nur Steffi selbst beantworten, und zwar sofort. Sie ging auf »Telefon« und »Favoriten«, worunter sie Steffi gleich ganz oben abgespeichert hatte, aber kaum zeigte sich Steffis Handynummer, wurde das Display schwarz. Akku leer.
    Mist, so ein verdammter Mist!
    Dann kam ihr etwas anderes in den Sinn. Wenn Steffi nicht wollte, dass Ella ihr Geheimnis erfuhr, dann würde sie auch nicht wollen, dass sie Moritz’ neue Identität lüftete. Vor allem, wenn er vielleicht nur wegen Inger verschwunden war.
    Was konnte das alles bedeuten?
    Ella stand auf. Sie musste systematisch darüber nachdenken. Ihre Gedanken sammeln. Verstehen, was da gelaufen ist. Oder läuft.
    Ella holte tief Luft. Steffi, ihre beste Freundin, hatte sie angelogen. Hintergangen. Es war so ungeheuerlich, dass sie es einfach nicht fassen konnte. Steffis berufliche Auslandsreisen. Weltweit unterwegs, hatte Ella geglaubt. Dabei war die Welt nach zweieinhalb Stunden in Stockholm zu Ende.
    Ben! Mit ihm musste sie reden. Sie brauchte einen Menschen, der die Tragweite dieses Verrats erfassen konnte.
    Langsam ging sie die Treppe hinunter, die beiden Fotos in der Hand. Moritz und sein Gemälde und Steffi im Bett.
    Hatte Steffi das Bild gekauft? War sie die geheimnisvolle Frau, die bar bezahlt hatte? Bar für Moritz’ Portrait, das neben dem Bild einer anderen hing?
    Von der Treppe aus hörte Ella es in der Küche rumoren. Jetzt sage ich wenigstens diesem Typen noch Tschüss, dachte sie, schließlich war er friedlich und nett.
    Der Schwede stand mit einem Mädchen an der Spüle, und im ersten Moment glaubte Ella, ein Déjà-vu zu haben – aber es war nicht Margareta, obwohl auf den ersten Blick eine Ähnlichkeit da war. Diese hier hatte kohlrabenschwarze Rastalocken, ein weißes Gesicht und schwarz umrandete Augen, die tief in den Höhlen lagen.
    »Hej«, sagte sie und drehte sich zu Ella um. »Hast du was dabei?« Schwedisch.
    Ella verstand kein Wort.
    »Was soll ich?«, fragte Ella verwirrt.
    »Komm, lass sie«, meinte der Typ nun auf Englisch.
    »Na, was denn?«, schnauzte die Kleine ihn an und wechselte sofort die Sprache.

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