Lieblingsmomente: Roman
nichts an. Es sind meine Fotos, und ich mache mit ihnen genau das, was ich will.«
Er nickt und hebt abwehrend die Hände, aber ich sehe ihm an, dass er anders denkt.
»Ich finde ja nur, du solltest mal darüber nachdenken, weil sie …«
»Lass es!«
Meine Stimme ist lauter und hallt in der Stille der Nacht durch mein Büro. Ich will ihn nicht anschreien, aber er versteht nicht, und ich will und kann es ihm nicht erklären.
»Das … hat nichts mit dir zu tun. Ich möchte nur nicht über diese Bilder sprechen.«
»Du sollst nicht über sie sprechen, du sollst sie veröffentlichen.«
Er versteht es nicht, also verschränke ich meine Arme vor der Brust – ein sicheres Zeichen für Ablehnung.
»Sagt der Typ, der sein Manuskript in der Schublade versteckt.«
Das hat gesessen, ich merke, wie er leicht zusammenzuckt, und sofort tut es mir leid.
»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Du hast sie doch auf deinem Rechner, es wäre nur …«
»Ich will sie nicht veröffentlichen. Es sind Schnappschüsse aus dem Urlaub. Nicht mehr.«
Er schüttelt den Kopf und dreht meinen Schreibtischstuhl so, dass ich ihn ansehen muss.
»Wer hat dir denn den Müll erzählt? Das ist Blödsinn.«
Seine Augen glühen. Ist er wütend? Er hält die Lehne meines Stuhls fest umklammert, und sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Einen Augenblick sehen wir uns stumm an. Er ist mir zu nah.
Das ist zu viel.
»Es ist schon spät. Wir müssen beide morgen früh raus.«
Er lässt los und richtet sich wieder auf. Ich beuge mich zu meinem Computer und schalte ihn einfach aus. Ich habe heute lange genug gearbeitet und auch schon viel zu viel Zeit mit ihm verbracht. Es wird jetzt Zeit, zumindest für heute einen Schlussstrich zu ziehen.
»Layla.«
Ich sehe ihn nicht an, stehe auf, packe die leeren Boxen und Servietten vom Tisch und stopfe sie fast schon rabiat in die weiße Tüte, die neben dem Tisch steht. Er kommt auf mich zu.
»Du hast recht, Layla. Du musst rein gar nichts mit den Fotos machen. Aber wer auch immer gesagt hat, sie wären nur Urlaubsfotos, der hat gelogen. Oder keine Ahnung.«
Er nimmt mir die leeren Bierflaschen ab und stellt sie neben den Kühlschrank auf den Boden. Ich beobachte ihn und frage mich, wo er all die Jahre war, als ich genau das hören wollte. Er war in meiner Stadt, aber er hat nie meinen Weg gekreuzt, und jetzt ist er plötzlich hier, und ich möchte ihn für das eben Gesagte am liebsten ohrfeigen. Nein, lieber fest umarmen. Dafür, was er gesagt hat. Aber so weit sind wir nicht. So weit werden wir vermutlich niemals sein. Deshalb schenke ich ihm wenigstens ein kurzes Lächeln, vielleicht kann er die Dankbarkeit darin lesen. Er lächelt zurück. Zum Glück.
»Wie kommst du nach Hause?«
»Ich laufe. Ich habe es nicht weit.«
Er wirft einen Blick auf die Uhr. Es ist spät, die Straßen vermutlich schon leer gefegt.
»Ich fahre dich.«
Auf dem Sozius seiner Vespa, mit einem albernen Helm und dem Fahrtwind im Gesicht, umarme ich ihn an diesem Abend dann doch noch. Obwohl es kühler geworden ist, würde man es im Volksmund eine laue Sommernacht nennen. Wir brausen über leere Straßen, vorbei an geschlossenen Cafés und festgebundenen Biergartengarnituren. Meine Arme sind um seinen Körper gelegt, was in einer solchen Situation einfach erforderlich ist, wenn man nicht in der nächsten Kurve vom Sitz geschleudert werden will. Trotzdem fühlt es sich auch einfach gut an. Ein bisschen nach Abenteuer. Ein bisschen verboten, ohne aber wirklich verboten zu sein. Ich betrüge niemanden, er betrügt niemanden. Aber ein ganz kleines bisschen fühlt es sich so an, vor allem wenn sich meine Arme beim Beschleunigen fester um ihn schlingen, mein Körper beim Abbremsen an seinen gepresst wird und wir uns in den Kurven gemeinsam bewegen müssen. Es fühlt sich gut an.
Er macht den Motor ein paar Meter vor meiner Haustür aus und lässt die Vespa im Leerlauf ausrollen. So verhindert er es, die ganze Straße zu wecken.
Gerne würde ich etwas sagen, was dem Augenblick angemessen erscheint – aber das Wissen darum, wie meine Frisur nach dem Abnehmen des Helmes jetzt aussieht, hindert mich daran.
Er sieht mich an und lächelt. Wir flüstern, obwohl unsere Stimmen wohl kaum jemanden wecken würden.
»Danke für das Essen.«
»Danke für das Bier.«
Wir lächeln wie Teenager nach dem ersten Date, dabei wissen wir beide, dass es keines war.
»Wir sehen uns am Freitag.«
»Ja. Gute
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