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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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sah, dass es meine Schreibmaschine war. Er sagte: »Unbefugte Nutzung von Universitätseigentum. Das mag Ihnen belanglos erscheinen, aber schließlich haben Sie auch nicht meinen Posten. Lässt man erst etwas schleifen, ist es nur der Anfang.« Er reichte mir die Maschine. »In diesem speziellen Fall bin ich allerdings bereit zu glauben, dass es ein unschuldiger Irrtum war.«
    »Danke«, sagte ich.
    Gerade als ich die Tür erreichte, sagte er meinen Namen. »Cole.«
    Meine Hand war schon am Türknauf. Ich drehte mich um.
    Er las im Stehen ein Schriftstück. Er sah flüchtig auf. »Seien Sie vorsichtig, mit wem Sie Umgang pflegen, Cole.«
    Kekura, stellte sich heraus, hatte sich der Festnahme entzogen. Er hatte die Nacht mit einer Freundin verbracht, und als er am nächsten Morgen bei Yansaneh vorbeischauen wollte, von den Festnahmen erfahren. Da hatte er beschlossen, Freunde, die zufällig jenseits der Grenze wohnten, zu besuchen und dort so lange zu bleiben, bis eine Rückkehr ratsam erschien. Saffia erzählte mir das am Mittwoch, als wir uns im Red Rooster auf einen Kaffee trafen. Sie hatte eigene Nachforschungen angestellt. Zarte Fältchen an den äußeren Augenwinkeln, die ich zuvor noch nie bemerkt hatte. Weitere Falten – der Entschlossenheit – zu beiden Seiten des Mundes. Sie vermochten es nicht, ihre Schönheit zu mindern. Sie schien ihr Gleichgewicht wiedergefunden zu haben; von der Sache mit Kekura hatte sie durch einen Freund erfahren, offenbar den Tänzer. Aus irgendeinem Grund fuchste es mich, dass er zur Wiederherstellung ihrer Zuversicht beigetragen haben sollte. Ich machte mir Gedanken über ihn. Über Kekura ebenfalls.
    Eine Kellnerin brachte Nescafé in Stahlkannen, ein Kännchen Kondensmilch, ein Schüsselchen Zuckerwürfel und stellte alles ohne jedes Zeremoniell auf die karierte Kunststoffdecke.
    »Was gibt’s sonst zu berichten?«, fragte ich.
    Sie hatte Johnson täglich aufgesucht. Er lehnte es zwar ab, offiziell zu bestätigen, dass sich Julius in seinem Gewahrsam befand, doch sie las es aus seinem ganzen Verhalten heraus. Er hatte sie aufgefordert, nach Hause zu gehen und zu warten.
    »Vielleicht wäre es wirklich das Beste. Sie sehen erschöpft aus.«
    Sie sah zu mir auf, ihre Augen blitzten. »Was sagen Sie da, Elias?«
    »Nur dass man an manche Dinge besser nicht rühren sollte. Wenn Sie ihn reizen, könnte es für Julius am Ende noch schlimmer werden.«
    Sie sah mich ruhig an. »Ich weiß, dass Sie nur zu helfen versuchen.« Sie atmete tief ein. »Ich war bei einem Anwalt«, erklärte sie. »Er empfiehlt, Johnson noch zwei Tage Zeit zu lassen und dann einen Antrag auf Haftprüfung zu stellen. Einen für Julius. Einen für Ade.«
    Ich hörte zu, sagte: »Ich wünsche ebenso sehr wie Sie, dass Julius freikommt, glauben Sie mir. Nur, wenn Sie das tun, was Sie sagen, riskieren Sie, die Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu bringen.«
    »Genau darum geht’s.«
    »Das Problem ist«, sagte ich sanft, »dass Sie damit Johnson in die Defensive drängen werden. Er könnte sich genötigt sehen, zu seiner eigenen Rechtfertigung Anklage gegen Julius zu erheben. Und das würde eine Verschlechterung der Situation bedeuten.«
    »Was würden Sie vorschlagen?«, fragte sie.
    »Dass wir so weitermachen wie bisher. Auf Johnson hören und abwarten. Er kann Julius nicht ewig festhalten, er will nur zeigen, dass er eine große Nummer ist. Vielleicht könnte ich mit meinem Pastor reden, sehen, ob er irgendwie Druck ausüben kann.«
    Sie trank einen Schluck Kaffee. Gedanken verschatteten ihr Gesicht. Schließlich sagte sie: »Es ist nicht nur so, dass ich nicht imstande bin, untätig herumzusitzen – ich will es auch nicht. Es geht hier nicht nur um Julius, begreifen Sie das nicht, Elias? Es geht um uns alle. So etwas hinzunehmen – nun, das wäre nur der Anfang.«
    Nur der Anfang. Das zweite Mal am selben Tag, dass jemand diese Worte aussprach. Zehn Minuten später wickelte sie sich ihren orangefarbenen Schal um den Kopf und ließ mich stehen. Mein Angebot, sie nach Haus zu begleiten, hatte sie abgelehnt. Sie wisse noch nicht, ob sie wieder zu Johnson oder in die Anwaltskanzlei wolle. Außerdem habe sie noch ein paar Besorgungen zu erledigen.
    »Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas erfahren.«
    »Natürlich, Elias.«
    Es kam aber so, dass die Ereignisse schneller waren als der Anwalt. Der Antrag auf Anordnung eines Haftprüfungstermins wurde am Donnerstag aufgesetzt. Bevor er zugestellt werden konnte,

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