Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
Vom Netzwerk:
das gesagt. Er würde es ihr auch jetzt sagen, aber er darf nicht. Es ist alles zu schwierig, zu kompliziert. Da ist sein Zuhause. Da ist Lisa. Da ist Kate. O Gott. Kate. Er darf nicht daran denken. Er wendet die Augen von Mamakay ab, hinüber zum Meer, in die Dunkelheit. Unter dem Lärm und der Musik kommt das Geräusch der Brandung heran, wie zersplitternde Kristalle.
    Und weil er über sie sprechen möchte, über sie beide, am allermeisten über die Liebe, spricht Adrian stattdessen über ihren Vater.
    Sie gehen den dunklen Strand entlang. Der Ocean Club hinter ihnen leert sich allmählich. Adrian referiert Mamakay das Gespräch, das er vor Stunden geführt hat, als er am Bett des alten Mannes saß, referiert es so exakt wie möglich, sorgfältig darauf achtend, die richtigen Worte zu wählen. Nicht das Ganze, nur das, was sie betrifft. Als er fertig ist, gehen sie schweigend weiter. Stille, behutsam interpunktiert vom Geräusch ihrer Schritte, dem leisen Knirschen von nassem Sand. Er wendet sich ihrem in Mondlicht gezeichnetem Profil zu.
    »Er würde gern mit dir reden, da bin ich mir sicher.«
    Mamakay entgegnet nichts. Adrian wartet das Ende ihres Schweigens ab. Kein Geräusch außer dem Krachen der Brandung, dem gelegentlichen Summen eines Autos auf der Uferstraße. Vor ihnen in der Ferne umreißt eine dürftige Konstellation von Lichtern die Halbinsel. Sie erreichen eine Strandbar, leer und geschlossen. Betontische stehen im Sand herum. Sie setzt sich auf einen von ihnen, zieht die Beine an.
    »Du verstehst das nicht mit meinem Vater«, sagt sie.
    »Ich kenne ihn nicht so gut wie du, nein.«
    Sie schüttelt den Kopf und schaut an ihm vorbei aufs Meer.
    »Stell mich auf die Probe«, sagt Adrian. »Erzähl mir was, was ich nicht weiß.«
    »Okay. Ich werde dir eine Geschichte erzählen. Ich erzähle dir eine Geschichte über meine Mutter und meinen Vater. Etwas, das einmal passiert ist. Durch das ich anfing zu begreifen, wie es zwischen den beiden stand. Ich hab dir schon erzählt, dass ich als das Bindeglied zwischen ihnen fungierte, weißt du noch? Wir haben nie irgendetwas zusammen, als Familie, unternommen«, sagt Mamakay.
    »Ich erinnere mich.«
    »Schön, einmal, als ich zehn oder vielleicht elf war, führte meine Mutter mich zum Essen aus. Wir gingen ins Red Rooster, ein Hähnchenrestaurant in der Stadt. Es war nicht mein Geburtstag oder sonst was in der Richtung, und ich weiß noch, ich fragte sie, warum wir da hingingen. Sie antwortete, weil ich eine so gute Tochter sei. Ich nahm ihr das nicht so ganz ab, ein Kind merkt es immer, wenn ein Elternteil es mit einer Ausrede abzuspeisen versucht. Aber es war mir egal. Ich war froh, ein bisschen verwöhnt zu werden. Also gingen wir ins Red Rooster, und wir bestellten Hähnchenflügel und Limonade. Meine Mutter war gut gelaunt, scherzte. Ich mochte es, wenn sie so war; das kam nicht oft vor. In Anwesenheit meines Vaters war sie, na ja, viel reservierter.«
    Mamakay verstummt, atmet tief durch und hebt das Kinn dem Himmel entgegen. »Wir waren vielleicht eine halbe Stunde da, als ein Freund von ihr hereinkam. Es ist eine kleine Stadt. Damals war sie sogar noch kleiner, jeder kannte jeden. Du hast ja selbst gesehen, wie es ist. Und trotzdem hatte ich diesen Mann noch nie gesehen. Er gehörte, soweit ich mich erinnern konnte, nicht zum Freundeskreis meiner Eltern. Das Red Rooster lag im Zentrum, und viele Leute aus den Büros in der Umgebung gingen dort essen, also nahm ich an, dass der Mann irgendwo in der Nähe arbeitete. Er trug einen Anzug, das weiß ich noch, aber sein Haar war unordentlich und sein Bart ungepflegt. Er hatte eine nette Art: Er sprach direkt zu mir und behandelte mich nicht wie ein Kind, sondern wie einen richtigen Menschen. Meine Mutter wurde in seiner Gesellschaft sehr angeregt; ich weiß noch, ich wurde eifersüchtig, weil seine Aufmerksamkeit anfangs mir gegolten hatte. Bald redeten sie nur noch miteinander und vergaßen mich mehr oder weniger. Ich schmollte eine Weile, und dann wurde es Zeit, nach Hause zu gehen.«
    Mamakay schwingt die Beine vom Tisch und schlendert auf die See zu. Adrian folgt ihr.
    »Während der Heimfahrt sagte mir meine Mutter, ich sollte meinem Vater nichts davon sagen, dass wir im Red Rooster gewesen waren. Sie erklärte, er hätte ihr gesagt, sie sollte nicht so viel Geld ausgeben, deswegen sollte das unser Geheimnis bleiben.« Sie zuckt die Achseln. »Ich sagte Okay. Und dann dachte ich nicht mehr daran.

Weitere Kostenlose Bücher