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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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aussah wie ein Kind mit Taschen voller Süßigkeiten und Kastanien. Einmal blieb sie stehen und schaute ihn, die Hand über den Augen, nachdenklich und ernst an. Aber am Ende hatte sie lediglich »Hmm« gesagt. Und dann: »Schau, sieht wie Bernstein aus. Ist natürlich keiner.« Warf das Steinchen wieder weg. Und schließlich: »Du scheinst dir ziemlich viele Gedanken darüber gemacht zu haben.«
    Sie gingen noch eine halbe Stunde schweigend weiter und kletterten am Ende des Strandes auf eine Düne. Ein-, zweimal blieb Adrian stehen und reichte seiner Mutter die Hand, aber sie winkte jedes Mal ab, was, da es schweigend geschah, recht abweisend wirkte. Auf dem Dünenkamm setzten sie sich und schauten hinaus auf die See. Seine Mutter rupfte einen Halm aus, steckte sich das Ende in den Mund, legte sich rücklings in den harten Strandhafer und schloss die Augen. Sie blieb so lange regungslos liegen, dass er schon dachte, sie sei eingeschlafen.
    Endlich sagte sie: »Weiß Lisa, dass du hier bist?«
    »Noch nicht.«
    »Hast du an Kate gedacht?«
    »Natürlich habe ich das. Ich denke ständig an sie.«
    »Heutzutage folgt man vermutlich seinen Träumen.« Sie sagte es so ohne jeden Vorwurf, so nüchtern, dass er sich albern und dumm vorkam. Ohne auf eine Erwiderung zu warten, stand sie auf. Weder schüttelte sie die Grassamen aus dem Haar, noch klopfte sie sich den Sand von der Hose. Er folgte ihr hinunter.
    Sie aßen eine Kleinigkeit am offenen Fenster in der Sonne: Schinken, hart gekochte Eier und Salat. Schwer vorzustellen, dass das dieselbe Sonne war, die erbarmungslos auf den Äquator knallte. Dieses Wasser, dasselbe Gewässer, reichte von hier bis dort, veränderte an irgendeinem Punkt seine Farbe von Grau zu Blau, von Silber zu Grün. Adrian dachte an Mamakay und stellte sich vor, dass sie gerade auf ihrer Klarinette übte. Ihm fiel ein, dass er sie noch nie hatte üben hören. Nur einmal war er unerwartet in einen Hof voller Musik hineingeplatzt. Mamakay spielte unten, ihr Nachbar und Bandkollege oben auf seiner Posaune, eine improvisierte Serenade. Er fragte sich, was Mamakay in diesem Moment wohl machte. Nur eine Stunde Zeitunterschied; die Sonne dürfte jetzt im Zenit stehen.
    Nach dem Essen steckte sich seine Mutter eine Zigarette an, etwas, was er bei ihr noch nie gesehen hatte.
    »Ich weiß, ich weiß.« Sie sah seinen Blick und zuckte die Achseln. »Aber ganz ehrlich, was spielt das für eine Rolle?« Sie stellte das Feuerzeug auf den Tisch: ein schweres Elfenbein-Tischfeuerzeug, das er kannte, das früher seinen Großeltern gehört hatte.
    Nach dem Essen stellte sie ihn zu ein paar kleineren Arbeiten an. Ihre Fernsehantenne war vom Sturm gelockert worden und schwang jedes Mal, wenn es Wind gab, unter herzzerreißendem Quietschen hin und her. Er holte die Leiter, kletterte aufs Dach und erkannte, dass das die Ursache des Geräusches war, das er während der Nacht gehört hatte. Ein Stück Teerpappe hatte sich gelöst, und Adrian rief seiner Mutter zu, sie möchte Pappnägel und Hammer bringen, war überrascht, als ihr Kopf über dem Horizont der Dachtraufe aufging.
    »Wie lang bleibst du?«, fragte sie, als sie ihm den Hammer reichte.
    »Ich weiß noch nicht genau, ein, zwei Tage? Vielleicht länger.« Er war sich seines Aufenthaltsrechts nicht so sicher wie zu der Zeit, als sie noch im alten Haus gewohnt hatte.
    »Gut. Dann kannst du mir vielleicht bei was helfen. Eine kleine Terrasse nach vorne raus. Allein schaffe ich das unmöglich. Ich hatte vorgehabt, einen Handwerker zu beauftragen, einen von diesen Osteuropäern, aber jetzt bist du ja da. Zusammen dürften wir das recht schnell schaffen.« Und verschwand wieder, sein Einverständnis voraussetzend. »Ich mach Tee«, rief sie herauf.
    Eine tief stehende Sonne schlägt ins Zimmer, Staub wirbelt langsam in der Luft, wird von einer gelegentlichen Bewegung oder einem Luftzug in die eine oder die andere Richtung gescheucht. Das Summen und Klopfen einer sterbenden Fliege. Ein einsamer Hund sucht den Spülsaum ab, vom Herrchen weit und breit nichts zu sehen. Am Fensterrand verschwindet ein Boot mit blauem Segel hinter einem Felsvorsprung.
    »Also, ein Boot wäre eine feine Sache«, sagt seine Mutter, als greife sie ein unterbrochenes Gespräch wieder auf.
    »Was für ein Boot?«
    »Ein Segelboot. Etwas beruhigend Stabiles und aus Holz. So eins, wie der Kauz und die Miezekatze es gehabt hätten.« Sie lacht heiter. »Ein schmuckes erbsgrünes.«
    »Und von

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