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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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klarkommst. Ich kann gar nicht glauben, dass Du die ganzen OP-Berichte noch immer per Hand schreiben musst. Also bleiben wir wohl erst mal beim Altbekannten. Wenn Du erst mal hier bist, werden wir uns ein bisschen Zeit nehmen und Dir beibringen, wie man mit einem Computer richtig umgeht. Aber ich sag Dir was, mein Freund, es macht mir nichts aus, auch wenn es in der ganzen Stadt einen einzigen Laden gibt, wo man noch Luftpostpapier kriegt. Das gibt mir Zeit zu verschnaufen.
    Ich sitz also gerade am Küchentisch. Es ist Herbst und schon kalt. Mann, wenn’s erst mal losgeht, geht’s einem wirklich in die Knochen! Ich muss mir unbedingt eine Oberarztstelle oder vielleicht ein Forschungsstipendium an einem warmen Ort besorgen. Atlanta, wo es sich eher wie zu Hause anfühlt. Ich hab gehört, da unten gäb’s ’ne Menge von unseren Leuten. Weiß allerdings nicht genau, ob Helena die Idee so toll fände. Sie hat zurzeit zwei verschiedene Jobs in zwei verschiedenen Pflegeheimen. Sie arbeitet hart und verdient ordentlich. Wir sparen auf diese Anzahlung hin. Helena sagt, sie möchte studieren, und ich bin bestimmt nicht dagegen, nur werden wir uns da entscheiden müssen: entweder die Doppelhaushälfte oder die Collegegebühren. Tja, wie auch immer, da ist Gesprächsbedarf. Hey, wobei mir einfällt – wär doch eine gute Möglichkeit, ein bisschen Druck auf sie auszuüben, dass sie sich breitschlagen lässt, nach Süden zu ziehen, wo Immobilien billiger sind!
    Du hast also die schöne dicke Mary gesehen, die jetzt sogar noch dicker ist! Ich nehm mal an, Mamoud ist der Glückliche. Gratulier ihnen beiden von mir. Verdammt, ich liebe diese Frau! Richte ihr das aus. Ist mir egal, ob Mamoud eifersüchtig wird. Sag ihm, er hat sie nur gekriegt, weil ich es ihm gestattet habe, und ich könnte ohne Weiteres zurückkommen und sie ihm wieder wegschnappen, er soll sich also gewaltig vorsehen. Er soll sie ja gut behandeln, denn sie ist eine tolle Lady …
    Eine Krankenschwester, mürrisch und unsicher, kommt aus dem Sprechzimmer und setzt sich, ohne die Wartenden eines Blickes zu würdigen, wieder an ihren Schreibtisch am hinteren Ende des Raums. Kai sitzt schon seit einer Stunde da. Die Schlange schleppt sich unendlich langsam voran. Ein Patient kommt aus dem Sprechzimmer, gefolgt vom Arzt, der von seinem Klemmbrett den Namen des nächsten Patienten abliest. Ein Mann steht auf, an seinem Hals ein streng riechender Kräuterwickel, der wahrscheinlich eine wunde Stelle bedeckt. Alle rutschen um einen Platz weiter. Kai wartet. Diese Praxis hat er wegen ihrer Entfernung vom Krankenhaus ausgewählt, nachdem er beschlossen hatte, sich nicht dort durchchecken zu lassen. Bislang weiß nur Mrs Mara, dass er geht. Hierherzukommen schien die einfachste Lösung zu sein.
    Er liest noch die letzten Zeilen von Tejanis Brief:
    Wann rechnest Du damit, hier zu sein? Die Sache zieht sich ja anscheinend ganz schön hin! Du musst den Typen auf die Finger schauen, Mann. Ehe Du dich versiehst, haben die Deine sämtlichen Unterlagen verschlampt. Ich dachte eigentlich, du bist mittlerweile praktisch abflugbereit.
    Ein anderer Brief, rund drei Wochen später datiert:
    Hey, Kumpel,
    hat wohl keinen Wert zu fragen, wann Du kommst. Es dauert vermutlich so lang, wie es eben dauert. Mach Dir keinen Kopf. Das Sofa ist immer noch da und wartet auf Dich.
    Vielleicht hast Du ja mitgekriegt, was hier in einer Grundschule passiert ist. War zwei Tage lang in sämtlichen Nachrichten. Irgend so ein Irrer ist während der großen Pause mit einer Machete auf den Schulhof gekommen, am Montag. Hat einfach so auf die Kinder eingehackt, auf die Lehrerin auch. Ganz, ganz üble Sache. Hier ist immer eine Menge los, kann also sein, dass die internationale Presse es nicht für nötig hielt, darüber zu berichten. Egal – warum ich Dir davon schreibe, ist Folgendes: Rat mal, wo sie die verletzten Kids hingebracht haben? Genau hierher. Es waren vier. Meine Schicht hatte gerade eine knappe Stunde vorher angefangen, als die Meldung reinkam. Mann, Du hättest mich sehen sollen! Ich habe gezaubert. Keiner hier konnte sich erklären, wo ich das gelernt habe, warum ein Frischling wie ich so viel Erfahrung im Versorgen solcher Verletzungen hat. Ich hab kein Wort gesagt. Wer hätte mir auch geglaubt, wenn ich gesagt hätte: Das habe ich alles während eines Krieges in einem afrikanischen Land gelernt, von dem Sie noch nie was gehört haben? Eins der Kinder war bei Einlieferung tot. Aber die

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