Lied aus der Vergangenheit
herübergekommen ist, um Kai wach und angezogen vorzufinden, während die Sterne draußen am Himmel glitzerten.
Kai kommt zurück; er hat unterwegs an der Bar einen Zwischenstopp gemacht und zwei weitere Flaschen Bier gekauft. Da ihm diese Dinge durch den Kopf gegangen sind, fragt Adrian: »Schon mal verheiratet gewesen?«
»Wer, ich?« Kai weicht der Frage aus.
»Ja, schon mal verheiratet gewesen?«
»Ne.« Er hält seine Flasche steil nach oben und lässt sich das Bier in die Kehle gluckern, die Augen auf einen Punkt irgendwo hinter Adrians Schulter gerichtet.
Adrian trinkt einen Schluck aus seiner eigenen Flasche. Das Essen hat geholfen, und sein Kopf ist, vorerst zumindest, wieder klar.
»Einmal, fast. Ich hab mit dem Gedanken gespielt«, sagt Kai.
»Aber?«
Kai schüttelt den Kopf. »Wir waren zu jung. Dachte ich wenigstens. Ich hatte mir eine Menge Dinge vorgenommen, für die Zeit nach meinem Abschluss. Mir sind ein paar Dinge dazwischengekommen.« Er rülpst.
»Zum Beispiel?«
»Kleinigkeiten, wie zum Beispiel ein Krieg.«
»Was hast du denn vorgehabt?«
»Pläne, Mann. Ich hatte große Pläne.«
»Was zu tun?«
»Der Beste zu sein vermutlich. Nur das. Ich und Tejani, er war damals mein Freund. Wir hatten uns nie was anderes vorstellen können.«
»Was ist aus ihm geworden?«
»Weg.« Er macht eine unbestimmte Handbewegung, als schlage er eine Mücke platt.
»Und das Mädchen?«
»Ah.« Er trinkt in gleichmäßigen Schlucken aus der Flasche, bis er nach Luft schnappen muss. »Das Mädchen? Das ist noch immer da.«
Es ist Mitternacht. Die Menge hat sich zu einer Masse verdichtet. Drinnen beleuchten die Neonröhren manche Gesichter wie Monde, während draußen andere Gesichter in der Dunkelheit auf- und abtauchen. Auf der Tanzfläche verwandelt eine farbige Kugel den Schweiß der Tanzenden in glitzernde Rinnsale von Rot. Adrian und Kai sitzen allein an ihrem Tisch, gestrandet inmitten des Lärms und der Hitze, wie Überlebende eines Schiffbruchs, erschöpft, froh, am Leben zu sein. Es beginnt ein Lied mit einem südafrikanischen Rhythmus. Congo maway, congo. Congo mama .
»Komm.« Kai ist aufgestanden und schwankt auf seinen Füßen. Er ist auf dem Weg zur Tanzfläche. Adrian ist ausreichend betrunken, um ihm zu folgen. Sie tanzen miteinander, niemand kümmert’s. Das Blut und der Alkohol in seinem Körper, die Leuchten, sorgen dafür, dass sich Adrians Kopf wieder zu drehen beginnt. Wenn er sich jetzt fallen ließe, da ist er sich sicher, würde ihn das Gewoge von Körpern auffangen und mit sich forttreiben. Nach einer Weile nimmt das Schwindelgefühl überhand, und er arbeitet sich zum Tisch zurück, wo er sich setzt und zuschaut, wie Kai, den Kopf in den Nacken geworfen, die Augen halb geschlossen, immer weiter und weiter tanzt.
13
Julius. Was soll ich Ihnen über ihn erzählen? Er war ein Mensch, der an sich, an den Sinn seines Daseins, an sein Glück glaubte. Julius war nicht gern allein, er brauchte Geselligkeit. Er suchte meine Gesellschaft, und in mancherlei Hinsicht, so schien es mir, war er von ihr abhängig geworden.
Einmal fuhren wir ins Spielkasino. Wir waren beide ohne unsere Frauen. Mittlerweile war meine Beziehung zu Vanessa zu wenig mehr als nichts geschrumpft, und ich wusste immer noch nicht recht, wie ich mich, nach dem unglücklichen Ausgang meines letzten Besuches, in Saffias Gegenwart am besten verhalten sollte. Julius, der von alldem keine Ahnung hatte, kam in mein Arbeitszimmer auf der Suche nach Amüsement.
Wir hatten getrunken. Der Vorschlag kam von ihm – wie die meisten Vorschläge. Unter Alkoholeinfluss wurde er ausgelassen. In dieser Hinsicht, wie in so vielen anderen, waren wir gegensätzliche Pole, denn wenn ich trinke, neige ich von jeher dazu, mich in mich zurückzuziehen und, wenn ich genervt bin, um mich zu schlagen. Julius hatte das Gefühl, dass das Glück ihm hold war, und er verkündete dies lautstark der menschenleeren Straße, als wir eine Bar verließen und uns auf den Weg zum Kasino machten. Er stapelte seine Chips auf eine einzige Zahl. Ich verteilte meine umsichtig. Das Rad drehte sich. Ich gewann, bescheiden. Julius verlor, fürstlich. Er feierte seine Verluste an der Bar.
Das war die Nacht, in der ich erfuhr, dass Julius Asthmatiker war. Während wir im Kasino waren, fand er plötzlich irgendetwas belustigend, ich weiß nicht mehr, was. Er fing an zu lachen. Die Krankheit verriet sich in seinem Lachen, Lachen war dazu angetan, bei ihm
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