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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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weder nach rechts noch nach links und hielt den Griff ihres Schirms mit beiden Händen fest.
    Ich füllte den Topf am Wasserhahn nach, lauschte dem Zischen des kalten Wassers, das auf das heiße Metall traf. Gerade als ich den Topf ins Bad tragen wollte, hob die Frau den Kopf. Ich erhaschte einen Blick auf ihr Profil, die Linie ihres Kinns und ihrer Nase. Das genügte, um mich erstarren zu lassen. Ich stellte den Topf in die Spüle, öffnete das Fenster und schaute hinaus. Was in aller Welt mochte sie hier tun? Meine erste Reaktion war Beunruhigung: Ihr Auftauchen musste mit meinem Verhalten am vergangenen Abend zusammenhängen.
    Ich zog mich zurück. Ich machte eine Runde durch das Zimmer und ging wieder ans Fenster. Gar kein Zweifel. Wider besseres Wissen mischte sich Hoffnung, dumm und verzweifelt, in die Angst. Das Herz hämmerte mir in der Brust, der Kopf drehte sich mir bis zur Übelkeit. Eine Erinnerung an die Auseinandersetzung im Garten trieb an die Oberfläche, wie eine Wasserleiche in einem Sumpf. Was hatte ich gesagt? Was hatte ich getan? Und warum war nicht Julius gekommen? Oder Kekura oder Ade Yansaneh, mit dem diplomatischen Auftrag, Brücken wiederaufzubauen?
    Hastig breitete ich die Decken wieder über das Bett und zog mich rasch an. Ich trat hinaus auf den Absatz der Außentreppe, gerade in dem Augenblick, als Saffia heraufschaute.
    Falls ich Ihnen meine Wohnung noch nicht beschrieben habe, sollte ich an dieser Stelle sagen, dass die Verwendung des Wortes »Wohnung« eine Übertreibung darstellt. Es war in Wirklichkeit ein einziger, wenn auch größerer Raum mit einer Spüle und einem Herd an dem einen und einem Badezimmer am anderen Ende. So ungern ich das zugebe, war das Einzige, was ich denken konnte, während Saffia die Stufen heraufeilte, dass ich mir ihren Besuch doch anders erträumt hatte. Sie erreichte den Absatz ohne ein Lächeln im Gesicht, mit fahrigem Blick, als suchte sie nach irgendetwas.
    »Ach, Elias!«, sagte sie. »Es tut mir leid. Es tut mir furchtbar leid. Ich habe die ganze Zeit gewartet.«
    »Sie hätten heraufkommen sollen«, sagte ich und trat beiseite, um sie hereinzulassen.
    »Das bin ich auch. Ich glaube, ich habe Ihre Hauswirtin geweckt.«
    Ich folgte ihr hinein, gepeinigt vom Geruch im Zimmer, nach Schweiß und schlechtem Atem, mit einem Restgestank nach Erbrochenem. Zwei Schritte jenseits der Schwelle wandte sie sich mir zu, ihre Stimme so hohl wie totes Holz. Was sie sagte, fegte mir jeden Gedanken aus dem Kopf.
    »Sie haben Julius festgenommen.«
    Während der Fahrt zum Haus erzählte mir Saffia, was geschehen war. Nach Ausklang der Party, gerade nachdem der letzte Gast gegangen war, hatten zwei Männer vor der Tür gestanden. Zivilbeamte offenbar, keiner von beiden trug eine Uniform. Julius und Saffia waren noch nicht zu Bett gegangen. Es wurde kein Grund für die Festnahme angegeben, kein Haftbefehl, keine Erklärung. Julius protestierte natürlich, hatte aber zuletzt keine andere Wahl gehabt, als sich zu fügen. Saffia hatte versucht, Ade und Kekura anzurufen, aber als sie keinen von beiden hatte erreichen können, war sie zu mir gekommen. Ich hatte mir mit dem Gedanken geschmeichelt, ich sei die erste Stelle gewesen, an die sie sich gewandt hatte. Ich betrachtete sie, während sie es noch einmal am Telefon versuchte, lauschte dem schwachen, unerträglichen Klingelton. Niemand nahm ab. Sie stand da, die Hände vor das Gesicht geschlagen, und schüttelte den Kopf.
    »Ich bin sicher, es ist ein Missverständnis«, sagte ich. »Was könnte es sonst sein?«
    Vermutlich hatte ich mir vorgestellt, dass wir einfach abwarten würden. Ich hatte keinerlei Erfahrung mit solchen Dingen, aber ich neigte – neige – von Natur aus eher zur Vorsicht. Ich sah keinen Sinn darin, sich wegen etwas verrückt zu machen, was sich noch immer als falscher Alarm erweisen konnte. Ohne Weiteres möglich, dass wir schon ein paar Stunden später wieder alle zusammen sein und über das Ganze lachen würden. Ich glaubte fest daran. Ich wollte nur eins: bei Saffia bleiben, hier in diesem Haus. Ich könnte ihr Trost, ich könnte ihr Kraft bieten. Ich könnte ihr Beschützer sein. Wir könnten abwarten, und wenn die Sache vorbei wäre – nun, so weit dachte ich nicht voraus, nur an die möglichen Stunden bis dahin.
    Saffia nahm ihre Autoschlüssel in die Hand und schlug vor, bei Ade und Kekura vorbeizufahren.
    Von Ade keine Spur. Ein Nachbar sagte uns, er sei am frühen Morgen abgeholt worden.

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