LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)
er in ihren Augen nur wenige Zentimeter entfernt das auffunkelnde Leben. Ihre Zunge schnellte in seinen Mund, und je enger Ligeia sich an ihn schmiegte, desto mehr schwand seine Angst. Sie zerschmolz wie Eis in der Nähe einer Flamme.
Innerhalb von Sekunden hörte Evan auf, sich gegen Ligeia zur Wehr zu setzen. Er hielt sich an ihr fest, klammerte sich an ihren Körper wie an einen Rettungsring. Sie nahm ihn erneut mit den Beinen um die Hüfte für sich in Besitz. Ihre Zunge spielte mit seiner, und er wollte – konnte – es kaum glauben, doch irgendwie geschah es aus den Tiefen seiner Angst heraus, dass er, nachdem er in der letzten halben Stunde bereits zweimal mit ihr geschlafen hatte, ein weiteres Mal in sie eindrang. Auf Ligeias Gesicht lag ein siegessicheres Grinsen. Diesmal hielt sie ihn fester, bewegte sich langsamer gegen ihn und sorgte dafür, dass ihm der Augenblick wie eine halbe Ewigkeit vorkam.
Als sie schließlich von seinem Mund abließ, um inmitten der Wogen ein lautloses »Oh« auszustoßen, hatte Evan die Grenze des Wahnsinns bereits überschritten. Erneut atmete er Wasser durch die Nase ein, hustete und bekam damit das grässliche Salzwasser in die Lunge. Aber dann war sie auch schon bei ihm, presste ihm gierig, dankbar die Lippen auf den Mund, stieß sich kräftig mit den Füßen ab, und innerhalb von Sekunden durchbrachen sie die Oberfläche und tanzten auf den Wellen auf und ab.
Die Lichter Delilahs waren ferne, verschwommene Kreise am Horizont, und Evan fragte sich träge, wie weit sie ins Meer vorgedrungen sein mochten. Er fühlte sich so erschöpft, dass sich ihm noch nicht einmal die Frage stellte, wie sie wieder zurückgelangen sollten. Wenn es ums Wasser ging, vertraute er Ligeia bedingungslos. Sie hatte ihn dazu gebracht, dort Dinge zu tun, die er niemals für möglich gehalten hätte. An einem Ort, den er abgrundtief hasste, hatte sie ihm die schönsten Erlebnisse seines Lebens beschert.
»Und nun komm mit mir nach Hause«, flüsterte sie.
Evans Augen weiteten sich und plötzlich war die wunderbare Hochstimmung verflogen. Sein Rückgrat durchbrach das Wasser, das ihm an den Wirbeln heruntertropfte. Mit einem Mal fühlte es sich wie Eis an.
»Ligeia, nicht …«, setzte er an.
»Willst du das denn nicht für immer haben«, murmelte ihre Stimme in seinem Kopf, ein verschwommener Hall. Sie hielt seine Hände gepackt und rieb sie – wollüstig jede Art von Anstand ignorierend – an der zarten, festen Haut ihrer Kehrseite. Von der sanften Rundung ihres Hinterns führte sie seine Hände nach oben, nach vorn, zwischen ihre beiden Körper, und weiter hinauf, bis seine Finger ihre Brüste umfingen. »Willst du das nicht?«, wiederholte sie.
Evan kam sich vor, als habe er Drogen genommen, als befinde er sich auf einem Horrortrip. Das Echo ihrer Stimme füllte seinen ganzen Kopf aus.
»Willst du mich nicht jede Nacht so nehmen?«
»Ja«, antwortete er, ohne nachzudenken. »Ja. Aber …«
»Dann verzichte auf das ständige Aber. «
Evan berührte Joshs Medaille, die er an einer dünnen Kette um den Hals trug. Vor seinem geistigen Auge entstand das Zimmer seines Sohnes mit den vergilbten Postern an der Wand – das Gruppenbild der Psychedelic Furs wie ein heimliches Laster neben den schreienden Posen angesagter Popstars wie Lady Gaga, den Black Eyed Peas oder Snow Patrol in einer Ecke versteckt. Er sah Sarah vor sich, wie sie besinnungslos – tot? – im Ehebett lag. Der einzige Hinweis darauf, dass sie noch atmete, war die schwach schimmernde Spucke in ihrem Mundwinkel; so schwach, dass man schon sekundenlang danebenstehen und sie beobachten musste, um mitzubekommen, wie sie im Takt der mitternächtlichen Atemzüge heraustropfte.
Seine Erinnerungen an Josh verlassen? Sein Zuhause aufgeben – diese traurige, verzweifelte Gruft, die er und Sarah ihr Heim nannten?
»Nein«, erwiderte er schließlich. »Ich kann nicht, ich …«
In Ligeias Augen blitzte es wütend auf. Kaum hatte er ihr den Korb gegeben, stieß sie ihn weg und ließ ihn im Ozean treiben.
»Nein, nicht …«, schrie Evan, doch innerhalb eines Herzschlags kehrte sie zu ihm zurück und umarmte ihn.
»Du kannst dich nicht ewig treiben lassen«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Sein Hals bebte, als ihre Lippen ihn flüchtig streiften. »Du musst dich für eine Richtung entscheiden und schwimmen. Allerdings, heute Abend …« Sie trat mit den Füßen gegen das laute Dröhnen der Brandung und begann, ihn in Richtung Ufer zu
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