Light & Darkness
scheint ein strenger Mann zu sein, den er nicht sonderlich vermisst.«
Dr. Melay notierte sich etwas in ihre Akte. »Redet ihr auch über deine Vergangenheit?«
»Kaum. Ich meine, was gibt es zu erzählen? An mir ist nichts Besonders. Dante interessiert sich nicht für mich. Er stellt nie Fragen oder versucht mir nahe zu sein. Vermutlich liegt es an seiner Fähigkeit, denn er weiß bereits alles, was er über mich wissen muss.« Wieder notierte Dr. Melay etwas in ihren Akten. Light sah auf die Uhr, die über Dr. Melays Kopf an der Wand hing. »Wir haben nur noch zehn Minuten, möchten Sie nicht noch mit mir und Dante gemeinsam sprechen?«
Dr. Melay setzte ihre Brille ab und legte sie auf den kleinen Tisch aus dunklem Mahagoniholz. »Das ist nicht nötig. Reden wir lieber über das Verhältnis zwischen Kane und Dante. Wie geht Kane damit um, nicht länger das einzige Wesen bei euch zu Hause zu sein?«
Von der Frage überrascht blinzelte Light die Psychologin an. »Gut … denke ich.«
Dr. Melay lehnte sich nach vorne, als wolle sie Light etwas zuflüstern. »Bist du dir sicher? Dante erschien mir in seinem Einzelgespräch etwas feindselig gegenüber Kane. Nichts Gravierendes, aber es ist nicht selten, dass es zu Konflikten zwischen männlichen Wesen zweier so dominanter Rassen kommt.«
»Dominanter Rassen?«, wiederholte Light.
»Sowohl Strigois als auch als Dämonen haben einen starken Drang nach Macht. Stets streben sie den höchsten Rang innerhalb ihres Clans oder der Familie an, um diese zu kontrollieren, aber auch zu beschützen«, erklärte Dr. Melay. »Paranormale haben einen sehr starken Drang diejenigen zu beschützen, die ihnen wichtig sind. Früher, als es noch keine Delegierten gab, waren Hetzjagden auf Paranormale an der Tagesordnung. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn dieser Urinstinkt zwischen Kane und Dante für Spannungen sorgte. Beide streben die Machtposition in deiner Familie an.«
Light lachte nervös. »Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«
»Natürlich, aber ich behaupte nicht zwangsweise, dass diese Art Rivalität zwischen Kane und Dante besteht. Ich stelle nur fest, dass es irgendein Problem zwischen den beiden gibt. Nicht umsonst hat Dante Kane als – ich zitiere – ›dressierte Fledermaus‹ bezeichnet.« Dr. Melay spähte über ihre Schulter auf die Uhr. »Gab es zwischen den beiden einen Streit, der dieses Verhalten ausgelöst haben könnte?«
Light faltete ihre Hände, um das Zittern zu verbergen. »Am Tag meiner Delegation ist Kane auf Dante losgegangen, nachdem dieser eine dämliche Bemerkung von sich gegeben hat. Wir haben sie sofort voneinander getrennt und seitdem ist alles in Ordnung.« Das Klingeln der Schulglocke erklärte die Stunde für beendet. Light stand auf und schulterte ihre Tasche.
»Mein Tipp: Versuch dich Dante gegenüber mehr zu öffnen. Auch wenn Dante glaubt, dich zu kennen, so ist es ein großer Unterschied, ob er dieses Wissen deiner Aura entnimmt oder ob du gewillt bist, ihm selbst von dir zu erzählen.« Light nickte höflich, als hätte sie vor, den Ratschlag zu befolgen. »Finde heraus, was Dante gerne unternimmt«, fuhr sie fort und erhob sich aus ihrem Sessel. »Geh mit ihm ins Kino oder in eine Spielhalle. Schafft euch ein Leben außerhalb der Schule. Im Haus eingesperrt findet Dante keine Möglichkeit sich zu entfalten und das endet schließlich in den vielen kleinen Gemeinheiten dir gegenüber.«
Mit vorgespieltem Interesse nahm Light ihren Vorschlag zur Kenntnis. »Vielen Dank«, sagte sie und räusperte sich. »Es ist spät, ich sollte mich beeilen. Delegat Roland ist zwar großer Befürworter der Revuestunden, aber er sieht es nicht gerne, wenn man zu spät im Unterricht erscheint.«
Light winkte Dr. Melay ein letztes Mal zu, bevor sie die Tür hinter sich schloss. Dante lehnte an der gegenüberliegenden Seite an der Wand. In seinen Augen lag ein dunkles Funkeln, das selbst Lights nervösem Zittern Einhalt gebot.
Fünf Minuten nach Unterrichtsbeginn schlüpften Light und Dante ins Klassenzimmer. Delegat Roland lief, mit verschränkten Armen auf dem Rücken, durch die Reihe und kontrollierte die Hausaufgaben. Ohne sich umzudrehen sagte er: »Es freut mich sehr, dass Sie mich mit Ihrer Anwesenheit beehren. Setzen Sie sich und holen Sie Ihre Aufsätze hervor.«
Light ließ sich neben Dante auf den Stuhl sinken. »Ich habe meine Hausaufgabe nicht«, gestand sie kleinlaut, als Delegat Roland vor sie trat. Sie hatte in der Früh fünfzehn Minuten
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