Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
Störung ihrer Prüfung nicht übel und war insgeheim sogar stolz auf ihr beherztes Eingreifen. »Du bist die allerbeste Freundin, die man sich nur wünschen kann«, hatte sie ihr gerührt versichert und Lilith an sich gedrückt.
Im Gegensatz zu ihr schwebte Emma momentan im siebten Himmel, denn für sie hatte sich alles besser entwickelt als erhofft. Als sich nämlich der Hexenzirkel nach ihrer Prüfung auf den Rückweg ins Dorf gemacht hatte, war unter den Hexen schon ein erbitterter Streit darüber ausgebrochen, mit welcher Art von Dämon sich Emma nun verbinden sollte und was für eine magische Fähigkeit der Hexengemeinschaft am meisten von Nutzen sein konnte. Lilith hatte immer mehr den Eindruck gewonnen, sie befänden sich schon mitten in einem Krieg und es ginge darum, die bestmögliche Waffe auszuwählen – für Emma und ihre Wünsche interessierte sich dabei überhaupt niemand. Bis sie zurück in Bonesdale waren, hatte sich die eine Hälfte des Zirkels miteinander zerstritten und die andere geschworen, nie mehr ein Wort miteinander zu wechseln. Am nächsten Tag hatte Alberta Emma zu sich gebeten und sie darüber informiert, dass ihr ganz offensichtlich eine schwere Entscheidung bevorstehe und niemand von einem dreizehnjährigen Mädchen erwarte, einen vorschnellen Entschluss zu fassen, der den Rest ihres Lebens bestimmte. Alberta versicherte ihr, dass sie alle Zeit der Welt hatte, sich ihre Wahl gründlich zu überlegen. Emma konnte ihr Glück kaum fassen, auch weil Lutmilla Honigfleck ihre Einladung noch einmal telefonisch wiederholt hatte und Emma schon am nächsten Tag mit ihrer Mutter nach London zum großen Hexenrat reisen würde. Für Lilith bedeutete dies leider, dass sie den Rest der Ferien ohne ihre Freunde verbringen und sich den spöttischen Blicken der Dorfbewohner alleine stellen musste.
Ein lauer Sommerwind bahnte sich seinen Weg durch die geöffneten Fenster, spielte mit den Vorhängen und bauschte sie zu schwebenden Geistern auf. Lilith klappte Strychnins Tagebuch mit einem Seufzer zu. Seit seiner Verbannung aus dem Schattenreich ließ nicht nur Strychnins Fähigkeit zur Immaterialisierung nach, auch sein Treueeid gegenüber dem Erzdämon Belial verlor immer mehr seine Wirkung, sodass er ihnen Details aus dem Dämonenreich erzählen konnte, ohne sich gleich in eine rauchende Fackel zu verwandeln. Doch es blieb für ihn immer noch recht schmerzhaft, weshalb er die Erinnerungen an seine Heimat Stück für Stück niederschreiben sollte. Auch wenn Lilith zugeben musste, dass die Lektüre seiner Einträge stellenweise recht amüsant war, so hatte er sich jedoch mit den wichtigen Informationen ziemlich zurückgehalten. Die Bedeutung, die solche Berichte für die Nocturi haben konnten, schien der kleine Dämon nicht begreifen zu wollen.
Lilith ließ sich nach hinten fallen und vergrub ihr Gesicht in den Kissen, wie so oft in den vergangenen zwei Tagen. Wenn man sich in seinem Zimmer vor der Welt versteckt hielt, fühlte man sich nicht nur relativ feige, sondern konnte auch viel über unangenehme Dinge nachgrübeln, die man eigentlich lieber schnell wieder aus seinen Gedanken verdrängte. Dass ihr erster Auftritt als Führerin der Nocturi völlig missglückt war und sich ihr Großvater vor Scham wahrscheinlich gerade im Grab herumdrehte, war dabei nur die Spitze des Eisbergs. Denn eine andere Sache nagte weitaus stärker an ihr: Als sie Emma vor den Hexen hatte retten wollen, dachte sie nicht einen einzigen Augenblick lang an ihre Bansheekräfte, sondern hatte nur überlegt, ob sie den Chor der Dämonen anrufen sollte. Seit Monaten lebte sie in Angst vor dieser mysteriösen Kraft, die sie in sich trug, und nun war sie bei der erstbesten Gelegenheit dazu bereit gewesen, sie einzusetzen? Was war nur in sie gefahren? Die Dämonen in ihrem Kopf waren seit der Nacht, in der sie durch Belials Heimtücke geweckt worden waren, verstummt – zurückgeblieben war lediglich Liliths Furcht, dass sie wiederkehren würden. Sie hatte sich zu Mildreds Verwunderung sogar ein buddhistisches Buch besorgt, das helfen sollte, im Einklang mit seiner Umwelt zu leben und negative Gefühle wie Wut und Hass aus seinem Bewusstsein zu verbannen. Natürlich half es nicht wirklich. Es konnte nichts dagegen ausrichten, dass sie vor sich selbst Angst hatte. Angst, dass sie sich dem Chor der Dämonen noch einmal hingab und sich seiner Macht bediente. Lilith war sich sicher, dass sie damit ihr Herz für das Böse öffnete und
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