Lilith Parker
und gewonnen. Wer kann das schon von sich behaupten?« Er sprach mit der übertriebenen Begeisterung eines Politikers. »Und du hast ihn wirklich mit einem Knüppel niedergeschlagen?«
Sie nickte schlapp und wiederholte die Geschichte, die sie mittlerweile so oft erzählt hatte, dass sie fast schon selbst daran glaubte: »Als er Rebekka zum Ausführen des Todeskusses zwingen wollte, habe ich ihn hinterrücks miteinem dicken Ast niedergeschlagen und ihn so schwer verletzt, dass er sich aus dem Staub gemacht hat.«
»Ich frage mich, wo du die Kraft hernehmen konntest, ihm einen solchen Schlag zu verpassen. Natürlich warst du durch das Bernstein-Amulett als Einzige von uns geschützt, aber er ist ein erwachsener Mann und du ein nicht gerade starkes junges Mädchen.« Er schien ihr ihre Geschichte partout nicht abkaufen zu wollen.
Sie ging zum Gegenangriff über: »Haben Sie Vincent schon neben seiner Mutter beigesetzt?«
Sofort verschwand der kritische Ausdruck in seinem Gesicht und machte einer schuldbewussten Miene Platz. »Zusammen mit einem Vertrauten, auf den absoluter Verlass ist, ist es mir gelungen, seine Ãberreste zu bergen, und wir haben ihn gemeinsam in den frühen Morgenstunden bestattet.« Er warf einen brütenden Blick auf die Gruft, dann sah er zu Boden. »Danke, Lilith, dass du mich nicht verraten hast.«
»Es würde Vincent nicht mehr lebendig machen. Sein letzter Wunsch, den er mir während meiner Vision mitgeteilt hat, war jedoch, bei seiner Mutter begraben zu werden. Ich hoffe, dass seine Seele nun endlich Frieden finden wird.«
Es war Rebekkas Idee gewesen, dass sie Scropes Geheimnis für sich behielten, um ein Druckmittel gegen ihn in der Hand zu haben und ihn damit von weiteren Intrigen gegen die Nephelius-Familie abzuhalten. Zwar sah auch Lilith ein, dass dies ein cleverer Schachzug war, doch ganz wohl war ihr bei der Sache nicht. Auf alle Fälle zeigte esihr, dass Rebekka schon jetzt weit mehr strategisches Herrscherpotenzial besaÃ, als sie selbst es je haben würde. Lilith war sich sicher, dass es seine Zeit dauern würde, bis sie mit ihrer neuen Verwandten warm werden würde.
Scrope warf ihr einen ernsten Blick zu. »Nun kann dir niemand mehr das Bernstein-Amulett wegnehmen, und sobald du mein Amt übernommen hast, wirst du nicht nur die Führerin der Nocturi sein â du bist ihr Herzschlag, ihr Mut und ihre Stärke. Erweise dich dieser Aufgabe als würdig.«
Lilith ging mit hängenden Schultern den Weg zurück. Solche hochtrabenden Aussagen wollte sie jetzt am allerwenigsten hören. SchlieÃlich waren ihre Probleme in der Gegenwart gewaltig genug, da wollte sie nicht auch noch daran erinnert werden, dass sie in Zukunft noch schwierigere Zeiten erwarteten. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie gar nicht bemerkte, wie sie direkt auf Matt zusteuerte.
»Da bist du ja! Ich habe schon eine halbe Ewigkeit auf dich gewartet.«
Lilith schreckte auf und stoppte so abrupt, dass vor ihren Schuhen eine kleine Schneewolke aufstob. »Warum? Gibt es etwas Dringendes?«
Er hob abwehrend die Hände. »Nein, tut mir leid, das sollte nicht wie ein Vorwurf klingen.«
Er schwieg einen Moment, dann atmete er tief durch und gab sich einen Ruck. »Bevor du morgen abreist, wollte ich mit dir noch einmal über den Mord an Johnson sprechen. Du weiÃt schon, weil ich an dir gezweifelt habe und â¦Â«
»Matt, lass es gut sein!«, unterbrach sie ihn. »Du hast dich mittlerweile an die hundert Mal entschuldigt. Es ist alles in Ordnung zwischen uns, okay?«
Ihr aufmunterndes Lächeln schien wirkungslos an ihm abzuprallen. Im Gegenteil, Matt setzte eine so schuldbewusste Miene auf, als habe er gerade ein Entenküken überfahren.
»Meine Güte, jetzt sieh mich nicht so an! Es ist mein voller Ernst, ich bin dir nicht mehr böse. Natürlich war ich enttäuscht, weil du mir nicht geglaubt hast, aber ich weià nicht, ob es mir an deiner Stelle nicht genauso ergangen wäre. Belials perfider Plan war so perfekt durchdacht, dass sogar ich eine Zeit lang an meiner Unschuld gezweifelt habe. Ich habe mir selbst nicht mehr getraut, wie hätte ich es dann von dir erwarten können?«
Er stieà einen frustrierten Seufzer aus. »Ich glaube, mein Problem ist, dass ich mir selbst nicht verzeihen kann.«
»Tut mir leid, aber dabei kann ich dir wohl nicht
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