Lilith - Wunschlos gluecklich
wimmerte kläglich. Sie klang wie ein kleiner Hund, der Mutter und Geschwister vermisste. Luc hob eine Hand, ließ Lilith aus der Küche verschwinden und kurz darauf in ihrem Bett wieder auftauchen. Er setzte sich neben sie und hob erneut seine Hände. Er versuchte, ihre schmerzenden Empfindungen in sich aufzunehmen, um ihre Traurigkeit wenigstens ein klein wenig zu mildern. Sie schluchzte so herzzerreißend in ihre Kissen, er wollte doch nur, dass sie sich wieder beruhigte. Aber in Lilith waren so viel Traurigkeit, Zerrissenheit, Verbitterung und Hass … Es dauerte bis in die frühen Abendstunden, ehe ihre Tränen versiegten.
»Es tut mir so leid …«, jammerte sie nach einer weiteren Ewigkeit, ohne ihn anzusehen.
»Du bist ein Mensch, Lilith, dir muss gar nichts leidtun. Es ist okay, so wie es ist, glaub mir. Es war doch nur ein Wunsch … mehr nicht. Verstehst du? Sieh mich an. Bitte …«
Aber sie regte sich nicht und hielt ihr Gesicht weiter in den Kissen versteckt. Luc überlegte fieberhaft, wie er sie aufmuntern konnte, als sein Blick an einem Bild in ihrem Bücherregal hängen blieb. Darauf saß Lilith mit ihrer Großmutter, beide breit lächelnd, in einem Riesenrad. Es war ein wunderschönes Bild, voller Liebe und Zuneigung. Die Sonne ging in ihrem Rücken unter und zauberte entzückende zart rosa Lichteffekte um sie herum. Sowohl Lilith als auch ihre Großmutter schienen ihm darauf sehr glücklich zu sein.
Luc wusste, dass nicht weit von hier eine kleine Kirmes gastierte. Das war’s. Er kniete sich vor ihr Bett und strich ihr auf seine magische Art ein paar zerzauste Haarsträhnen aus ihrem traurigen Gesicht. »Nun komm schon … Steh auf, Lilith. Ich hab eine Überraschung für dich.«
Sie schüttelte den Kopf. Vor ihrem Bett türmte sich ein riesiger Berg gebrauchter Taschentücher und gerade glitt aus ihren Händen ein weiteres zu Boden.
»Wenn du nicht freiwillig mitkommst, wende ich Gewalt an«, drohte Luc, aber sie zuckte nur flüchtig mit den Schultern und zog ein neues Kleenex aus der Box neben sich. »Okay, sag aber später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.« Luc hob erneut eine Hand und mit einem Fingerschnippen stand Lilith fertig angezogen und gestylt neben ihm. Irritiert sah sie an sich hinab.
»Was tust du mit mir?«, fragte sie mit immer noch tränenerstickter Stimme. Luc lächelte sie nur an und schnippte erneut. »O mein Gott, Luc … das ist … es ist wunderschön.« Sie lächelte und ließ dabei ihre Beine im endlosen Nichts unter sich baumeln. Sie beugte sich über den Sicherungsbügel und blickte in die Tiefe hinab.
Sie saßen in der Gondel eines Riesenrads und betrachteten einen traumhaften Sonnenuntergang. Lilith lächelte beseelt. Nicht eine Träne rann noch über ihre Wangen, sie schienen wirklich getrocknet.
Bei all seinen Gesetzesüberschreitungen sollte er eigentlich zumindest seinem Volk gegenüber ein schlechtes Gewissen haben. Aber das Gegenteil war der Fall. Denn zum allerersten Mal konnte er nachempfinden, wie sich ein Mensch fühlte, dem er einen Herzenswunsch erfüllt hatte …
Nun wusste Luc, all diese Menschen mussten das Gleiche empfinden, was er gerade spürte.
Pures Glück.
Kapitel 8
Der Unfall
A uch das größte Glück ging irgendwann zu Ende – zumindest in der Menschenwelt. Als die Gondel zur letzten Runde ansetzte, verschwand Luc mit Lilith auf dem gleichen Weg, den sie gekommen waren.
»Das war Wahnsinn!« Lilith strahlte, als sie in ihrem Zimmer wieder Gestalt angenommen hatten. »Ich liebe Riesenräder! Die Höhe, die Freiheit, die Ruhe … Danke, Luc.«
Sie warf ihre Jacke über den Schreibtisch, breitete die Arme aus und schenkte ihm ein wunderschönes Lächeln. Dann ließ sie sich mit einem leisen Aufschrei rückwärts in ihr Bett fallen. So blieb sie liegen, die Augen geschlossen, tief einatmend, fast nach Atem ringend, als wäre sie gerade einen Marathon gelaufen.
Luc trat näher und betrachtete sie genauer. Lilith lag da, als wäre sie nicht von dieser Welt. Wie ein Engel, so zart, fast wirkte sie zerbrechlich. Ihre Haut so makellos, die Haare pechschwarz wie Kohle und glänzend wie Seide, die aufgrund ihres Falls wild über ihrem Kissen verteilt lagen. Schließlich öffnete sie wieder ihre Augen und sah ihn fragend an.
»Worauf hast du Lust? Was willst du tun?«, erkundigte er sich. Er wollte jeden ihrer Wünsche befriedigen, aber nicht, um sie schnellstmöglich verlassen zu können. Nein. Er wollte sie
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