Lilith - Wunschlos gluecklich
begonnen, alle Gänge waren wie leer gefegt. Da er Lilith als Dschinn oft zur Schule begleitet hatte, würdigte er den Lageplan keines Blickes, er fand auch ohne ihn das richtige Zimmer. Er klopfte.
»Herein.«
Er trat ein und spürte sofort, dass etwas anders war. Liliths Duft erfüllte nicht wie gewohnt die Luft des Klassenzimmers. Sie war nicht da. Luc ließ sich nichts anmerken, trat an das Lehrerpult und überreichte Mr. Garner den Wisch aus dem Sekretariat, während um ihn herum leises aber stetiges Gemurmel anhob.
»Ich bitte um Ruhe«, unterbrach Mr. Garner die Menge. »Ich möchte Ihnen einen neuen Mitschüler vorstellen. Mr. Luc Malone.« Er wandte sich an Luc. »Da hinten sind zwei Bänke frei. Die hintere der beiden ist ab sofort Ihre.«
Lilith war nicht da. Mied sie ihn etwa? Ging es ihr nicht gut? Warum war ihm heute Morgen nicht aufgefallen, dass Lilith nicht vorhatte, die Schule zu besuchen?
Noch bevor er seinen Platz erreichte, fing Mr. Garner an, irgendetwas an die Tafel zu kritzeln. Luc packte Block und Stift auf den Tisch und versuchte, die neugierigen Blicke, die mehr oder weniger verdeckt auf ihm ruhten, zu ignorieren. Mr. Garner ging von Tisch zu Tisch und ließ auf jedes Pult einige Blätter fallen. Als er an Liliths Tisch vorbeikam, murmelte er: »Typisch Miss Winters«, und ging zu seinem Lehrerpult zurück.
»Wie Sie sehen, schreiben wir heute einen kleinen Mathetest«, verkündete Mr. Garner. Er starrte genüsslich in die Runde, aus der sich anschwellendes Protestgemurmel erhob. Luc schloss daraus, dass Mr. Garner diesen Test nicht angekündigt hatte. »Sie haben eine Stunde Zeit. Sie dürfen anfangen.« Er stellte einen Wecker, fläzte sich auf seinen Stuhl und vertiefte sich in ein Buch.
Luc schrieb, ohne zu denken. Machte hier und dort Häkchen, beschrieb Rechenwege, präsentierte Lösungen. Er wusste, dass er mit dieser Arbeit eine glatte Eins abgeben würde, was wahrscheinlich ein Fehler war, aber er war nicht in der Lage, sein Wissen zu unterdrücken. Zu sehr kreisten seine Gedanken um Lilith. So sehr, dass es unmöglich war, sich um schlechtere Noten zu kümmern. Nach maximal zehn Minuten hatte er alle drei Blätter bewältigt, tat aber weiterhin so, als würde er unermüdlich damit beschäftigt sein, es rechtzeitig bis zum Ende der Stunde zu schaffen.
Bis zur Mittagspause quälte er sich durch jeweils zwei Stunden Sport und Chemie. Da er ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend verspürte, zog es ihn danach in die Cafeteria. Er stellte sich in der Schlange der Essensausgabe an. Immer wieder huschte sein Blick über die Massen an Schülern, aber er fand sie nicht. Sie war nicht hier.
Jemand tippte ihm von hinten an die Schulter. »Na? Wie gefällt dir dein erster Tag an der North Canyon High?«
»Hi, Camille«, begrüßte er sie. »Na ja … Schule ist Schule. Es gibt Lehrer, Klassenzimmer, Schüler … Im Grunde ist es doch überall das Gleiche. Aber danke der Nachfrage.«
Lilith und Camille waren meist wie Magneten, sie klebten förmlich aneinander. Lucs Blick glitt hoffend und suchend an Camille vorbei, aber er wurde wieder enttäuscht. Camille räusperte sich und er wandte sich ihr wieder zu. Ihr Lächeln wirkte amüsiert.
»Da magst du recht haben. Bis auf die Schüler, nicht wahr?«
Luc verstand nicht, worauf sie hinauswollte. »Bitte?«
»Lil, sie ist nicht hier«, gab Camille leichtfertig von sich.
»Woher weißt du …«, fragte er, aber Camille nickte nur an ihm vorbei und bedeutete ihm, die entstandene Lücke zu seinem Vordermann zu schließen. Sein Tablett quietschte wie eine Maus, die in der Falle saß, als er es auf dem Metalltresen vorwärtsschob.
»Du bist schon den ganzen Tag auf der Suche nach ihr.« Und auf seinen fragenden Blick hin ergänzte sie: »Das sieht doch ein Blinder mit ’nem Krückstock, dass du nach etwas oder jemandem Ausschau hältst. Ich dachte, ich erlöse dich. Sie ist krank und wird heute auf keinen Fall hier aufkreuzen.« Camille schnappte sich einen in Zellophan verpackten Bagel und pfefferte ihn unsanft neben die Cola auf ihr Tablett.
»Krank?«, entfuhr es Luc und er hörte selbst, dass es panisch klang. Unbewusst griff er ebenfalls nach einem dieser runden Brötchen, in dessen Mitte völlig unsinnigerweise ein Loch prangte. Kurz vor der Kasse schnappte sich Luc noch einen dampfenden Kaffee und materialisierte ein wenig Kleingeld in seine Hosentasche.
»Drei Dollar. Ausweis«, grunzte ihn die Dame an der Kasse
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