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Liliths Kinder

Liliths Kinder

Titel: Liliths Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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indes, die Grenze zu überwinden, hatte es in der Vergangenheit wohl immer wieder gegeben. Manche der Flüchtlinge waren nie wiedergesehen worden, und man ging davon aus, daß sie es entweder geschafft hatten oder von der Macht, die der Wand innewohnte, vernichtet worden waren. Andere jedoch waren wieder aufgetaucht: Die magische Kraft hatte sie an irgendeine Stelle Mayabs zurückgeschleudert - und stigmatisiert! Die Jaguare der Vampire vermochten die Witterung dieses Stigmas aufzunehmen, und bei der folgenden Jagd hatte jeder der Flüchtlinge seinen frevelhaften Versuch mit dem Leben bezahlt ...
    So hielten sich also Hoffnung und Abschreckung die Waage, und es fanden sich immer wieder Wagemutige, die das Risiko eines Fluchtversuchs eingingen. Erst kurz vor Liliths Ankunft in Mayab hatte es wieder einer probiert, ein junger Bursche namens Tikal. Und wie Chiquel ihr berichtet hatte, gehörte Tikal zu jenen, die verschwunden blieben; die Jaguare hatten ihn nicht aufstöbern können.
    Die Hoffnung, die in der Geschichte Tikals lag, ließ Lilith auch die letzten Meter überwinden, die sie vom höchsten Punkt noch trennten.
    Endlich oben angelangt, verharrte sie zunächst mit gesenktem Kopf und auf Händen und Knien. Sie wartete, bis ihr Atem sich beruhigt hatte, und erinnerte sich daran, wie sie mit Landru von jenseits des Walls hierhergekommen war. Es schien inzwischen eine Ewigkeit vergangen zu sein, so vieles war seither geschehen und auf sie eingestürmt; tatsächlich aber lag es nur wenige Tage zurück, und Lilith fragte sich, ob sie auch vor dem Verlust ihrer Erinnerung ein solch aufreibendes Leben geführt haben mochte . Es schien ihr kaum vorstellbar. Denn ein Leben wie dieses konnte niemand auf Dauer ertragen und unbeschadet überstehen.
    Nach einer Weile hob Lilith den Blick. Aber als weigere sich etwas in ihr, den gefaßten Entschluß in die Tat umzusetzen, sah sie erst noch einmal hinein nach Mayab. Womöglich hoffte sie unbewußt, dort irgend etwas zu entdecken, das ihre Rückkehr und ihr Eingreifen erforderte. Doch sah sie nichts außer reglosen Schatten, die sich wie ängstliche Tiere in die Dunkelheit duckten. Nichts regte und rührte sich, und nichts war zu hören. Was freilich in einer Welt wie Mayab, wo sich seit Jahrhunderten die ungeheuerlichsten Dinge im Verborgenen ereigneten, nicht zwingend bedeuten mußte, daß nichts geschah .
    Dann endlich -
    Lilith atmete tief ein und wandte ruckartig den Kopf zur anderen Seite. Sah dorthin, wo sich die wirkliche Grenze um Mayab erheben mußte, hinter der die Welt lag, aus der Lilith gekommen war. Landru hatte sie hindurchgeleitet, und Lilith entsann sich, daß von drüben aus nichts Sichtbares auf eine Barriere hingewiesen hatte. Nur der Erdwall war zu sehen gewesen. Doch irgend etwas hatte sie fortwährend vom Weg dorthin abbringen wollen, hatte wie fremder Wille die Kontrolle über ihr Handeln übernommen. Hätte Landru sie letztlich nicht gewaltsam mit sich gezerrt, wäre Lilith wohl nie imstande gewesen, die Grenze zu überwinden. 2
    Von Mayabscher Seite aus war ein solches Phänomen nicht feststellbar gewesen. Dafür aber - Lilith schloß entsetzt die Augen! Doch was sie in nur einer einzigen Sekunde gesehen hatte, wirkte weiter. Noch hinter ihren geschlossenen Lidern sah Lilith, was ihr wie gestaltgewordener Wahnsinn erschien.
    Der Blick ging vom Scheitelpunkt des Walls aus nicht ungehindert hinüber in die Welt, die sich jenseits davon erstreckte. Trotzdem hatte Lilith den Dschungel, der dort wucherte, gesehen - auf eine Weise jedoch, die der Wirklichkeit hohnsprach!
    Etwas verbog und verzerrte die Bilder solcherart, daß die Augen sie nicht zu erfassen vermochten, und in dem scheiternden Versuch, es doch zu tun, schmerzten sie bis tief ins Hirn hinein. Wirbelnde Eindrücke, die sich in dieser einen Sekunde hundertfach verändert harten, peinigten Liliths Wahrnehmungsvermögen noch immer. Und zugleich strahlte all dies in purpurfarbenen Licht, so grell, daß es wie mit winzigen Klingen an Liliths Sehnerven säbelte.
    Aufstöhnend sank Lilith nieder, die Lider noch immer so fest aufeinandergepreßt, daß es wehtat.
    Wie konnte ein Mensch diesen Anblick ertragen, ohne irrsinnig zu werden, wenn schon sie als Vampirin es kaum schaffte?
    Vielleicht, überlegte sie, und in erster Linie tat sie es wohl, um ihre Gedanken von den Eindrücken abzulenken, liegt es an meinem besonderen Blick ... Die Augen eines Vampirs vermögen mehr zu sehen als die eines

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