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Lily und der Major

Lily und der Major

Titel: Lily und der Major Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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diese Weise
reagiert, wenn andere Männer gekommen waren, um Lily ihre Aufwartung zu machen.
    »Du kannst es nicht wissen, weil du
noch nicht lange genug in Tylerville bist«, entgegnete die Hauswirtin seufzend.
»Er kommt aus einer sehr bekannten Familie im Osten, Lily. Ihn zu heiraten,
bedeutet Geld, gesellschaftlichen Rang und Ansehen.«
    Eisiger Zorn erfaßte Lily. Diese Dinge
bewahrte Caleb für die Frau auf, die er für geeignet hielt, seinen Namen zu
tragen und ihm Kinder zu gebären. Gut, vielleicht besaß sie, Lily, kein Geld
und auch keine gesellschaftliche Position, aber anständig und angesehen war sie
doch. Noch nie hatte sie etwas falsch gemacht, ausgenommen vielleicht, daß sie
sich von Caleb hatte küssen lassen und daß sie es auch noch schön gefunden
hatte. Aber das konnte niemand wissen. »Und die Liebe?« fragte sie entrüstet.
»Ist es vielleicht nicht wichtig, daß ich ihn nicht liebe?«
    »Um das zu entscheiden, ist es noch
zu früh«, entgegnete Mrs. McAllister. »Viele Ehen beginnen als Freundschaft,
aus der im Laufe der Jahre Liebe wird. So war es auch bei mir.« Sie seufzte
schwer. »Ich habe Mr. McAllister geheiratet, weil mein Vater es so wünschte –
er hatte nämlich eine Farm, die an unsere grenzte – aber mit der Zeit gewann
ich meinen Mann sehr lieb. Sehr, sehr lieb sogar, Lily.«
    Lily war verblüfft. Diese
sentimentale Seite von Elmira McAllister kannte sie noch gar nicht. »Er muß
Ihnen fehlen«, sagte sie warm.
    Mrs. McAllister nickte wehmütig,
aber dann kam wieder ihr altes strenges Ich zum Vorschein. »Trauern ist
sinnlos«, sagte sie kurz und verließ die Küche.
    Lily schenkte sich Tee nach, gab
Milch und Zucker hinzu und nahm die Tasse mit in ihr Zimmer. Dort setzte sie
sich an den altersschwachen kleinen Schreibtisch vor dem Fenster, nahm Feder
und Tinte heraus und begann einen weiteren Brief zu schreiben, adressiert an
den Marshal irgendeiner Stadt im Westen.
    Sie formulierte die gleichen Fragen
wie immer, unterzeichnete den Brief, und steckte ihn ohne große Hoffnung in
den Umschlag. Im Laufe der Jahre hatte sie vielleicht an die tausend solcher
Briefe an Marshals und Zeitungen im Westen geschrieben und nie eine Antwort
erhalten.
    Niemand schien etwas über den
Aufenthaltsort von Emma oder Caroline Chalmers zu wissen.
    Manchmal fragte Lily sich, ob ihre
Schwestern tot sein moch ten. Vielleicht hatte die Cholera sie dahingerafft,
oder sie waren an Diphterie gestorben wie Isadora. Vielleicht waren sie auch
von Indianern ermordet worden oder bei einer Überschwemmung ums Leben gekommen
...
    »Hör auf!« befahl Lily sich laut.
Caroline und Emma lebten; in ihrem Herzen wußte sie es genau. Wenn sie in
Tylerville oder in der Nähe blieb, würde eine ihrer Schwestern sie schon finden.
    Aber im Laufe der Jahre wurde es
immer unwahrscheinlicher. Nicht zum ersten Mal bedachte Lily die Möglichkeit,
daß Emma und Caroline sie vielleicht gar nicht finden wollten. Es war
durchaus möglich, daß sie einen Mann und Kinder hatten und in ihrem Leben kein
Platz für eine verlorene Schwester war.
    Vielleicht hatten sie vergessen, daß
Lily existierte, oder sie hatten sie aufgegeben, weil sie sie für tot hielten.
    Lilys Gedanken schweiften in die
Vergangenheit zurück.
    »Wenn du stirbst, wird dir keiner
nachweinen«, hatte Isadora gesagt, während sie Tee aus einer Porzellankanne in
eine winzige Tasse schenkte und sie über den Spieltisch schob. Isadora war ein
entzückendes Kind, schön wie ihre Puppen mit den glänzenden blonden Locken und
den kornblumenblauen Augen.
    Der neun Jahre alten Lily knurrte
der Magen, und sie schlurfte, als sie den Tee trank.
    Isadora hatte mißbilligend die Stirn
gerunzelt, die Hand ausgestreckt und auf Lilys Finger geschlagen. »Laß das,
Alva«, sagte sie, den Namen benutzend, den Lily so haßte. »Du hörst dich an wie
ein Schwein. Und du benimmst dich auch so. Ich glaube, es würde noch nicht
einmal jemand zu deiner Beerdigung kommen.«
    »Doch. Rupert«, hatte Lily zu sagen
gewagt, doch ihr Kinn begann zu zittern.
    Isadora schüttelte den Kopf. »Rupert
geht fort, um Lehrer zu werden«, erklärte sie. »Er wird nicht mehr an dich
denken, sobald er fort ist. Alle werden dich vergessen, außer mir natürlich.«
    Plötzlich empfand Lily eine
schreckliche, völlig unvernünftige Wut auf Isadora. Denn sie sagte die
Wahrheit, aber Lily haßte sie dafür. Sie sprang auf, lief um den Tisch und
schlug Isadora mit aller Kraft ins Gesicht. Isadora stieß

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