Lily und der Major
dem
großen Waschkessel entzündet, als sie erneut Besuch bekam.
Die Frau war größer als Lily und
fast so kräftig wie ein Mann. Sie hatte ein von häßlichen Pockennarben
gezeichnetes Gesicht, maulbraunes Haar, das sie
in einem strengen Knoten trug, und grobe, stark gerötete Hände, die sie in
einer nervösen Geste über ihr abgetragenes Kattunkleid gleiten ließ.
»Haben Sie überall im Fort die
Schilder aufgehängt?«
Lily nickte stumm.
»Ich bin Velvet Hughes«, stellte die
Frau sich vor und reichte Lily etwas widerstrebend ihre Hand.
»Meine Name ist Lily Chalmers«,
antwortete Lily und drückte die Hand der Frau. Sie war geschwollen und mit
Schwielen übersät.
»Ich nehme an, Sie kennen unsere
Regeln nicht«, sagte Velvet mürrisch. »Sie können keine Wäscherei aufmachen,
wenn Sie nicht in Suds Row leben.«
Lily verschränkte ihre Arme. »Das
ist mir neu.«
»Nun, dann wissen Sie es jetzt.«
Lily straffte unbewußt die
Schultern. »So. Und wer hat diese Regel aufgestellt?«
»Wir«, erwiderte Velvet ruhig. »Das heißt,
die Frauen, die in Suds Row leben. Wir erlauben niemandem, sie zu übertreten.«
Doch so leicht war Lily nicht
einzuschüchtern. »Ich fürchte, es wird mir nicht möglich sein, in Suds Row zu
leben, da ich einen beträchtlichen Teil meiner Ersparnisse in die Miete dieses
Hauses investiert habe.« Sie machte ein Pause und lächelte warm. »Aber trotzdem
vielen Dank für Ihre Einladung.«
Velvets häßliche Züge röteten sich.
»Sie begreifen nicht. Es sind keine Hütten mehr frei. Wir wollen, daß Sie
aufhören, Wäsche anzunehmen.«
Lily zwang sich, einen Schritt
näherzutreten. »Soll das eine Drohung sein, Velvet Hughes?«
Velvet seufzte. »Ich bin sicher, daß
es Ärger geben wird, wenn Sie nicht von hier verschwinden«, gab sie zu, und ein
besorgter Blick erschien in ihren Augen. »Ein so hübsches Ding wie Sie könnte
jeden Mann haben, der ihr gefällt. Warum wollen Sie dann uns unbedingt etwas
nehmen?«
Lily wußte, daß Velvet nicht vom
Wäschewaschen sprach, und verspürte eine leise Trauer. »Ich muß Geld
verdienen.« Ihre Besucherin schnaubte sehr undamenhaft, musterte Lily mit einem
verächtlichen Blick und sagte scharf: »Sie halten sich wohl für sehr schlau,
nicht wahr, und für etwas Besseres als uns? Dann kann ich Ihnen nur raten,
vorsichtig zu sein, denn meine Freundinnen und ich, wir könnten dafür sorgen,
daß Sie bald kein so hübsches Gesicht mehr haben.«
Angst kroch über Lilys Rücken wie
eine kalte Hand, aber sie ging tapfer an Velvet vorbei und begann Wasser in den
Waschzuber zu füllen. »Ich bin enttäuscht, daß Sie nicht in freundschaftlicher
Absicht gekommen sind«, bemerkte sie kühl.
Velvet schüttelte erstaunt den Kopf,
als sie Lily zusah. »Sie wollen anscheinend wirklich Wäsche waschen, was?«
sagte sie verwundert. »Dabei haben Sie einen Mann wie den Major, der für Sie
sorgen könnte – und Sie wollen waschen!«
Lily blieb auf dem Weg zur Pumpe
stehen. »Was soll das heißen, ich habe den Major, der für mich sorgen könnte?«
Velvet errötete. »Das werden Sie wohl selber wissen.«
Trotz ihres Ärgers beherrschte Lily
sich. »Ich bin keine Prostituierte«, sagte sie mit Würde. »Und ich weigere
mich, zu glauben, daß sämtliche Frauen in Suds Row einem derart niedrigen und
abscheulichen Gewerbe nachgehen. Tun Sie es, Velvet?«
Velvet riß verblüfft die Augen auf.
Um ihre Lippen zuckte es, aber kein Wort kam aus ihrem Mund.
»Sie sollten jetzt lieber gehen«,
sagte Lily und begann Wasser zu pumpen. »Ich habe Arbeit zu erledigen.«
Velvet schien noch etwas sagen zu
wollen, doch dann preßte sie die Lippen zusammen und stürmte wütend aus dem
Hof. Lily füllte ihren Waschkessel, schürte das Feuer darunter und legte
Ingrams schmutzige Hemden zum Einweichen in das Wasser.
Den ganzen Tag lang erschienen
Soldaten mit schmutzigen Sachen zum Waschen und hoffnungsvollen Blicken auf
Lilys schöne, frauliche Gestalt. Doch sie empfing sie alle ausnahmslos im Hof
und ließ keinen Zweifel über die Natur ihres Geschäftes offen.
Gegen Abend, als Sandra mit einem
zugedeckten Teller kam, war Lily erschöpft, aber stolz auf das, was sie
geschafft hatte. Wenn
jeder Tag so war wie heute, würde sie bald das Geld zusammen haben, das sie
brauchte. Sandra schaute sich kopfschüttelnd um. Das kleine Haus hatte nur
einen Raum, und die spärliche Einrichtung bestand aus Herd, Bett, Tisch, zwei
Stühlen und einem Bücherschrank. Zwei
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