Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dein für alle Ewigkeit
Vom Netzwerk:
Aufbruch schrieben wir das Jahr 1254.
    Kirkwood
las die Worte gewissenhaft und runzelte die Stirn. »Wo ist Geoffrey Chaucer,
wenn ich ihn brauche?« murmelte er, und Gloriana bemühte sich gar nicht erst,
ihn zu verstehen.
    Sie sind
also tatsächlich eine Zeitreisende, schrieb
er, nachdem er sie eine Weile nachdenklich betrachtet hatte. Das müßte mich
eigentlich überraschen, weil es praktisch ausgeschlossen ist, aber
merkwürdigerweise ist es nicht der Fall. Gegenwärtig schreiben wir das Jahr
1996, Mylady.
    Gloriana
fühlte, wie sie erblaßte. Sie war erst fünf gewesen, als sie – als Megan – aus
einer Welt in die andere versetzt worden war. Obwohl sie sehr begabt gewesen
war und viel gelesen und geschrieben hatte, hatte sie sich nie um Jahreszahlen
gekümmert, weshalb es sie verblüffte, zu erfahren, daß die Zeit so weit
fortgeschritten war. Die Menschheit, dachte sie, muß sich ja schon kurz vor dem
Jüngsten Tag befinden!
    Sie legte
den Kugelschreiber fort, weil ihr schwindelte von all diesen Erkenntnissen, und
beugte sich vor, um den Kopf auf ihre Arme zu legen.
    Kirkwood
berührte zögernd ihre Schulter. »Es war ein bißchen viel auf einmal«, seufzte
er. »Für mich genauso wie für Sie. Was Sie jetzt brauchen, ist Ruhe.«
    Gloriana
verstand, was er meinte, ohne es zuerst übersetzen zu müssen. Das zumindest
wurde immer leichter. Sie hob den Kopf und nickte. Zu schlafen würde ihr
helfen. Vielleicht würde sie ja danach erwachen und sich in ihrem und Danes
Bett wiederfinden, im Turmzimmer auf Kenbrook Hall, und über ihre lebhaften
Träume staunen.
    Wenige
Minuten später wurde Gloriana von Mrs. Bond in eine kleine Kammer geführt, um
sich auszuruhen. Als sie in dem warmen, sauberen Bett lag, überließ sie sich
ihrer Erschöpfung und versank in einen tiefen Schlaf.
    Stunden
später erwachte sie mit der augenblicklichen und herzzerreißenden Erkenntnis,
daß sie sich noch immer in Kirkwoods Haus befand. Was bedeutete, daß es kein
Traum gewesen sein konnte. Der Schmerz und die Enttäuschung, die sie in jenem
Augenblick durchlebte, waren so heftig, daß sie zu keiner Bewegung fähig war.
    Hilflos
wartete Gloriana ab, während heiße Tränen über ihre Wangen rollten. Leise,
fremdartige Geräusche erreichten ihr Gehör, die auf- und abebbten wie eine unsichtbare
Flut. Mit der Zeit kristallisierten die Geräusche sich zu zwei verschiedenen
Frauenstimmen – und der entfernten, irgendwie mechanischen Stimme eines Mannes,
der über Friedensverhandlungen zwischen der britischen
Regierung und der Irisch-Republikanischen Armee sprach.
    Die
Erkenntnis traf Gloriana wie ein Blitzschlag: Sie verstand, was gesprochen
wurde!
    »Sie gehört
in ein Krankenhaus, sag' ich«, ertönte von weit her Mrs. Bond. »Ich denke, daß
sie unter Drogen steht.«
    Gloriana
richtete sich auf und hörte aufmerksamer zu. Drogen? Das Wort kannte sie
nicht, aber es klang irgendwie bedrohlich.
    Eine andere
Stimme antwortete, sanfter und jünger als die der Haushälterin. »Dazu sieht sie
viel zu gesund aus.« Das mußte Marge sein, die Krankenschwester, die Kirkwood
erwähnt hatte. »Außerdem ist Lyn Arzt, nicht wahr, und man sollte meinen, er
würde es sofort erkennen, wenn dies der Fall wäre.«
    »Mir
gefällt die ganze Sache nicht«, brummte Mrs. Bond. »Stell dir vor, jemand
erscheint auf diese Weise, buchstäblich aus dem Nichts heraus, und noch dazu
auf einem Friedhof! Und ihre Kleider hast du ja gesehen – sie sehen aus, als
stammten sie aus einem Museum, nur, daß der Stoff so neu und gediegen ist wie
die Wolle meines eigenen guten Wintermantels.«
    Gloriana
hätte sich am liebsten unter den Decken verkrochen, anstatt sich den
unvermeidlichen Fragen und neugierigen Blicken auszusetzen, die sie zu erwarten
hatte, aber ihre Blase drängte auf Erleichterung. Unbeholfen und zaghaft erhob
sie sich und bückte sich, um unter das Bett zu schauen.
    Da war kein
Nachttopf.
    Sich wieder
aufrichtend, durchsuchte sie Megans Erinnerungen, bis sie auf das Bild einer
mit glänzenden Porzellangeräten ausgerüsteten Kammer stieß. Dieser Raum mußte
sich innerhalb des Hauses befinden, wahrscheinlich sogar am Ende dieses
Korridors. In Kirkwoods Hemd, das ihr bis auf die Knie reichte, ging Gloriana
leise zur Tür und spähte vorsichtig hinaus.
    Das Licht
draußen war so hell, daß es sie blendete, und im ersten Augenblick stand sie
nur da und blinzelte. Dann klärte ihre Sicht sich wieder, und sie sah Mrs. Bond
an einem Tisch in einem

Weitere Kostenlose Bücher