Lisa geht zum Teufel (German Edition)
Knoblauchgestank gesellten sich nun auch noch der beißende Chlorgeruch des spanischen Putzmittels und Flamencosound, der von oben herunterhallte. Der gewöhnliche Spanienurlauber lauschte diesen Klängen in irgendeiner schnuckeligen Flamencobar bei Vino tinto und Tapas. Der von ungebetenen Gästen geplagte Sommerresident versüßte sich damit eine nicht enden wollende Putzaktion. Lisa konnte aber nicht umhin, sich einzugestehen, dass die Musik Laune machte, und ertappte sich sogar dabei, den Wischmopp rhythmisch im Takt der Musik zu bewegen. »Olé!« Leider wurde die Musik kontinuierlich lauter, die leidenschaftlichen Stimmen der Flamencosänger penetranter. Erst vollfressen, die Bude verpesten und dann Fiesta zu Flamencoklängen. Die hatten sie ja nicht mehr alle. Lisa klopfte wütend mit dem Stiel des Besens gegen die Decke ihres Zimmers, das genau unter dem Wohnraum der beiden lag. Die Antwort kam prompt. Zwei Klopfzeichen von oben. Nach dreimaligem Klopfen rumste erneut das Echo zu ihr herunter, und zwar so massiv, dass die Kristallanhänger ihres Kronleuchters gegeneinanderschlugen und anfingen, vor sich hin zu klimpern.
Lisa begann zu köcheln. »Ruhe«, brüllte sie nach oben, nachdem sie auf die Wanduhr gesehen hatte, deren Zeiger bereits auf halb elf standen. Das war nächtliche Ruhestörung. Lisa überlegte, erneut nach oben zu gehen, nur was sollte das schon bringen! Nun entwickelte das Echo auch noch Eigenleben. Aus rhythmischem Klopfen wurde Trampeln im Takt der Musik. Flamencoschuhe! Bei dieser Lautstärke war an Lesen nicht zu denken. An Schlafen ohnehin nicht. Vielleicht sollte sie doch ihre Clique um Hilfe bitten. Mehr als Mitleid würde sie jedoch nicht ernten, und das brachte sie nicht weiter. Sie könnte in Vorortkneipen nach russischen Schlägerkommandos Ausschau halten, um ihre beiden Poltergeister zur Vernunft zu bringen. Absurd. Vielleicht würde es ja weniger laut hallen, wenn sie zu Bett ginge und sich zusammengezwirbelte Papiertuchfetzen in die Ohren stopfte. Einen Versuch wäre es wert, und es klappte. Bleierne Müdigkeit tat ihr Übriges. Ein letzter Blick auf die Uhr: schon halb eins. Die Musik hörte schlagartig auf. Hatte der liebe Gott doch noch Einsicht und erlöste sie von diesem Wahnsinn? Lisa spürte nur noch diesen angenehmen Ruck, das entspannende Gefühl, wenn das Stammhirn nach hinten wegklappte und die Lichter im Kopf ausgingen. Tiefer, erholsamer Schlaf kündigte sich an. Doch es blieb dabei. Die beiden mussten lediglich die CD gewechselt haben. Der heisere Cante eines Sängers hallte bis ins Schlafzimmer und bahnte sich seinen Weg an soften Papiertuchknäueln vorbei direkt durch ihr Trommelfell in die Gehörgänge. Und wie es da gerade trommelte. Das Gestampfe war kein Flamenco mehr, das war Lord of the Dance mit gefühlten tausend Mann auf einer Bühne, die ihre Schlafzimmerdecke war. Lisa setzte sich blitzartig auf. Das Geräusch verstummte. Fünf Minuten Ruhe. Sollte sie es wagen, noch einmal einzuschlafen? Sich noch einmal zu beschweren kam nicht in Frage. Darauf warteten die beiden doch nur. Kurz vor eins. Immer noch Ruhe. Delia und Rafael war bestimmt die Puste ausgegangen. Vielleicht machten sie aber auch nur eine kurze Pinkelpause oder stärkten sich mit einem Kaffee. Lisa bettete ihr Haupt zurück aufs Kopfkissen. Es blieb ruhig. Nun war aber die Müdigkeit vor Aufregung wie verflogen. Zu schnell schlug das Herz, zu aufgewühlt war ihr Inneres. Das wäre doch die Gelegenheit, um endlich ihr Buch zu Ende zu lesen, überlegte Lisa, darum bemüht, der Situation etwas Positives abzuringen. Kaum hatte sie das Buch in der Hand, ging es von vorn los. Das war eindeutig Psychoterror. Senkrecht im Bett, kam Lisa der Gedanke, ob sie nicht doch die Polizei rufen sollte, verwarf ihn aber sogleich. Es würde nichts bringen, weil die spanische Polizei in der Regel auch aus banalem Anlass mit Blaulicht kam. Die halbe Nachbarschaft würde wach werden, und die beiden Übeltäter wären gewarnt. Noch bevor die Polizei aus ihrem Einsatzwagen steigen könnte, wäre die Musik aus, und die beiden würden sich schlafend stellen. Im Bett zu bleiben war jetzt jedenfalls nicht mehr möglich. Am besten, sie machte sich eine Tasse Tee und setzte sich damit auf die Terrasse.
Delia hockte auf dem Bett und massierte ihre angeschwollenen Füße. Sie schmerzten höllisch, dementsprechend gequält war ihr Gesichtsausdruck, den Rafael mitleidig kommentierte.
»Hoffentlich gibt das mal keine
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