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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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verängstigte Kids über eine Wiese rennen, um sich einer gegnerischen Macht entgegenzuwerfen, wohl wissend, was kommen muss, und trotzdem rennen sie, brüllen und heulen.
    [x]
    "ENTFERNEN SIE SICH SOFORT VON HIER", sagte die Stimme Gottes. Sie kam von Trucks, die rund um den Park abgestellt waren, Trucks, die dort in den letzten paar Sekunden postiert worden waren.
    Und dann fiel der Nebel vom Himmel. Er kam aus den Helikoptern, und er erwischte uns nur grade eben noch. Ich dachte, mir sprengts die Schädeldecke weg und meine Nasenhöhlen werden mit Eispickeln perforiert. Meine Augen schwollen und tränten, meine Kehle zog sich zusammen.
    Pfefferspray. Nicht bloß 200.000 Scoville. Eineinhalb Millionen. Die hatten die Masse begast.
    Ich konnte nicht sehen, was da passierte, aber ich konnte es hören, über Anges und mein Husten hinweg, während wir einander festhielten. Erst die erstickten, würgenden Geräusche. Gitarre, Drums und Bass kamen abrupt zum Schweigen. Dann Husten.
    Dann Schreien.
    Das Schreien dauerte entsetzlich lange. Als ich wieder sehen konnte, hatten die Bullen ihre Brillen hochgeschoben, und die Helis fluteten Dolores Park mit so viel Scheinwerferlicht, dass es aussah wie am hellichten Tag. Jeder schaute in Richtung Park, und das war gut für uns, denn als die Lichter angingen, da waren auch wir perfekt sichtbar.
    "Was machen wir jetzt?", fragte Ange mit belegter, furchtsamer Stimme. Für einen Augenblick war ich nicht sicher, ob ich meiner eigenen Stimme schon wieder trauen könnte, und schluckte ein paar Mal.
    "Wir gehen jetzt weg", sagte ich dann. "Was anderes bleibt uns nicht übrig. Weggehen, als ob wir hier bloß vorbeigekommen sind. Dolores runter und dann hoch zur Sechzehnten. Als ob wir bloß vorbeigekommen sind und uns das alles hier nichts angeht."
    "Das klappt nie", sagte sie.
    "Mehr fällt mir nicht ein."
    "Denkst du nicht, wir sollten lieber rennen?"
    "Nein. Wenn wir rennen, dann jagen sie uns. Aber wenn wir gehen, denken sie vielleicht, dass wir nichts getan haben, und lassen uns in Ruhe. Die haben mit ihren Verhaftungen hier genug zu tun, um sich ne Weile zu beschäftigen."
    Im Park wälzten die Leute sich auf dem Boden, hielten sich die Hände vors Gesicht und schnappten nach Luft. Die Bullen packten sie unter den Achseln und zogen sie raus, dann fesselten sie die Handgelenke mit Plastikhandschellen und schubsten sie in die Trucks, als seien es Stoffpuppen.
    "Okay?", fragte ich.
    "Okay."
    Und genau so machten wirs. Wir gingen händchenhaltend, flott und zielstrebig davon, wie zwei Leute, die bemüht waren, sich aus dem Ärger anderer Leute rauszuhalten. Die Sorte Gang, in die man verfällt, wenn man so tut, als ob man den Schnorrer nicht sieht, oder einem Straßenkampf aus dem Weg gehen will.
    Es klappte.
    Wir erreichten die Ecke, bogen ab und gingen weiter. Zwei Blocks weit traute sich keiner von uns zu sprechen. Dann ließ ich einen Atemzug raus, von dem ich gar nicht wusste, dass ich ihn schon so lange angehalten hatte.
    Dann kamen wir zur 16ten Straße und bogen ab Richtung Mission Street. Normalerweise ist das samstagnachts um zwei eine ziemlich beängstigende Gegend. In dieser Nacht war es eine Offenbarung - dieselben alten Junkies, Nutten, Dealer und Besoffskis wie immer. Keine Bullen mit Knüppeln, kein Gas.
    "Hm", sagte ich, Nachtluft einsaugend. "Kaffee?"
    "Nach Hause", erwiderte sie. "Ja, ich glaube, nach Hause jetzt. Kaffee später."
    "Gut." Sie wohnte oben in Hayes Valley. Ich sah ein Taxi vorbeifahren und winkte es ran. Das war ein kleines Wunder - wenn man in San Francisco ein Taxi braucht, ist normalerweise kaum eins zu kriegen.
    "Hast du genug Taxigeld für nach Hause?"
    "Ja", sagte sie. Der Taxifahrer beäugte uns durch die Seitenscheibe. Ich öffnete schon mal die Fondtür, um ihn davon abzuhalten, gleich wieder loszufahren.
    "Gute Nacht", sagte ich.
    Sie griff um meinen Kopf herum und zog mein Gesicht zu sich heran. Dann küsste sie mich hart auf den Mund, nichts Sexuelles darin, aber vielleicht grade deswegen um so intimer.
    "Gute Nacht", flüsterte sie mir ins Ohr und verschwand im Taxi.
    Mit dumpfem Schädel, tränenden Augen und einem brennenden Schamgefühl, weil ich all diese Xnetter zurückgelassen hatte, der Gnade oder Ungnade von DHS und SFPD ausgeliefert, machte ich mich auf den Weg nach Hause.
    Am Montagmorgen stand Fred Benson hinter Ms. Galvez' Schreibtisch. "Ms. Galvez wird diese Klasse nicht länger unterrichten", sagte er, kaum dass wir uns

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