Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
Vom Netzwerk:
verengten sich. »Wir sind nicht sicher, ob Charles überhaupt noch lebt.«
    Aber aller Vernunft zum Trotz vermutete Petronus, dass Charles tatsächlich am Leben war und Esarov wusste, dass der alte Erzmaschinist der vielleicht größte lebende Schatz war, der den Benannten Landen noch blieb, sowohl um der Dinge willen, die er tun konnte, als auch wegen des Geheimnisses, das er hütete – einen Schlupfwinkel des Lichts, das sie alle für verloren gehalten hatten.
    Immerhin war dem verrückten Demokraten klar, dass Charles in Rudolfos Obhut sicherer war.
    Grymlis erhob sich. »Er wird noch innerhalb dieser Woche eintreffen, aber ich bin mir nicht sicher, ob Ihr dann noch hier seid.«
    Petronus nickte. »Dessen bin ich mir auch nicht sicher.« Er hob den Papierstapel auf und öffnete seinen Beutel, so weit es nur ging. Selbst das war nicht genug, und die Papiere bogen sich, als er sie hineinstopfte. »Dennoch«, fügte er hinzu, »möchte ich,
dass Ihr dies an Rudolfo weitergebt. Aber heimlich; haltet es von Esarovs Männern fern.« Er dachte einen Augenblick nach. »Meine Notizen sind verschlüsselt; Isaak oder einem der anderen müsste es gelingen, sie zu entschlüsseln.«
    Er reichte Grymlis den Beutel, und dieser erhob sich. Seine nächsten Worte waren beinahe ein Knurren: »Ihr marschiert fröhlich zu Eurer eigenen Hinrichtung. Rudolfo ist mit kaum mehr als einem Halbtrupp auf dem Weg hierher. Ich hoffe, das ist nicht ansteckend.«
    Petronus dachte über Grymlis’ Bemerkung nach. »Was, hofft Ihr, ist nicht ansteckend?«
    »Torheit« war die Antwort, dann öffnete Grymlis die Tür und ging, den Beutel unter seinem Umhang versteckt.
    Petronus starrte noch eine ganze Weile auf die Tür, ehe er zurück auf seinen leeren Schreibtisch blickte. Er fragte sich, was er nun tun sollte, während er wartete – wie er die Zeit verbringen sollte, bis Esarov ihm mitteilte, ob Erlund dieses neue Spiel mitmachen würde oder nicht. Esarov behauptete mit vollster Überzeugung, dass der Verrat von Windwir aus dem Inneren gekommen war, dass ihnen eine Bedrohung von außen nur durch eine ausgeklügelte und schreckliche Verschwörung vorgegaukelt worden war. Vlad Li Tam hingegen hatte inständig beteuert, dass ihr Feind außerhalb lauerte, und dann war dieser gerissene alte Meisterspion, so Petronus’ Vermutung, ausgezogen, um ihn zu finden und mit einem Namen zu versehen.
    Er blickte auf die Karte der Benannten Lande, die die Wand seines einfachen Zimmers schmückte. In ihrem Zentrum sah er Windwir, wie es sich gehörte, dann folgte er mit dem Finger dem Lauf des Ersten Flusses, den die Zigeuner Rajblut nannten, durch die umgebenden Hügel, über das Gräserne Meer bis in die Neun Wälder.
    »Und was suchst du, Rudolfo, so weit von der Heimat in diesen gefährlichen Zeiten?«, fragte er.

    Langsam erhob er sich, ging zur Karte und legte einen Finger auf die Mitte.
    Die angebliche Nachricht von Charles kam ihm wieder in den Sinn.
    Die Bibliothek ist durch Verrat gefallen , hatte es dort geheißen.
    In dieser Nacht träumte Petronus von Knochenäckern und Blut und Vögeln mit dunklen Schwingen.
    Als er am Morgen aufwachte, war es, als hätte er gar nicht geschlafen.

Kapitel 13
    Winters
    Winters fuhr zusammen, als sie sich in das dampfende Wasser legte und das Brennen in den tiefen Schnitten spürte, die ihre Schultern, ihre Seiten und ihren Rücken überzogen. Sie war inzwischen seit vier Tagen zu Hause, und obwohl ihre Wunden schon ansehnlich verheilt waren, stachen die Mineralien im Wasser immer noch. Mit der Seife fest in der Hand schwamm sie weiter in den Teich hinaus und tauchte hinab, ließ sich von der Hitze des Wassers durchdringen. Als sie wieder durch die Oberfläche stieß, schüttelte sie das Wasser aus ihrem Haar und ließ sich auf dem Rücken treiben. Das Lampenlicht tanzte über die hohe Decke der Höhle, und die Quarz- und Pyriteinschlüsse ließen auf der Kuppel über ihr ein Trugbild eines Sternenhimmels entstehen. Sie seufzte und schlug leicht mit den Beinen, streckte die Arme weit zur Seite aus und spürte, wie das Wasser seitlich an ihren Brüsten und ihrem Hals leckte.
    Sie war früher als sonst erwacht, aufgestört von ihren Träumen. Die grausamen Bilder, die mit der Musik von Tertius’ verrücktem Harfenspiel einhergingen, waren zur Gewohnheit geworden – mit diesem Unbehagen konnte sie umgehen. Ganz anders jedoch stand es mit Nebs Abwesenheit. Sie sah Armeen marschieren, unter einem Mond in der Farbe von

Weitere Kostenlose Bücher