Lockend klingt das Lied der Wueste
setzte sich neben sie. Das Wasser lief ihm in Strömen vom Körper. Er spürte, wie die Sonne ihn zu wärmen begann. Nura hatte dem Schwimmen nichts abgewinnen können. Das Wasser schade ihrem Haar, hatte sie oft gesagt. Sie war lieber im Liegestuhl liegen geblieben und hatte sich gesonnt. Er vermisste sie.
„Bestimmt ist es hier so warm, dass Sie das ganze Jahr über schwimmen können“, vermutete Lisa.
„Größtenteils, ja. In den Wintermonaten herrschen kühlere Temperaturen, aber trotzdem sind sie noch angenehmer als in den meisten anderen Ländern.“
„In Seattle ist es nur selten warm genug, um ins Freibad zu gehen. Es gibt dort ein sehr schönes Hallenbad, aber leider keinen solchen Ausblick wie hier. Ich habe mich oft gefragt, warum die Betonwände nicht bemalt sind. Zum Beispiel mit einem so fantastischen Motiv wie diesem.“ Sie deutete auf die vielfältige Blumenpracht im Vordergrund, hinter der sich die Wüste mit den Bergen erstreckte.
„Vielleicht sollten Sie diesen Vorschlag einmal machen, wenn Sie wieder zu Hause sind“, meinte Karim.
„Waren Sie schon einmal in Seattle?“
„Nein, ich habe nur San Francisco und Los Angeles gesehen.“
„Dann sollten Sie Seattle unbedingt besuchen. Es ist eine großartige Stadt.“
Er nickte. „Vielleicht werde ich gelegentlich hinfliegen.“
Warum habe ich das gesagt? fragte er sich im nächsten Augenblick. Seit Nuras Tod war das Reisen für ihn reizlos geworden. Trotzdem hatte er in Aussicht gestellt, einmal nach Seattle zu kommen.
Lisa wandte ihm den Blick zu. Jetzt waren ihre Augen von einem ungewöhnlichen Grau, wie Karim feststellte. Manchmal waren sie fast blau. Ihm war bereits aufgefallen, dass sie die Farbe wechselten. Brachte ihre jeweilige Stimmung das zustande? Oder war es die Farbe ihrer Kleidung, die diese Veränderungen bewirkte?
„Ich möchte Ihnen für Ihre Gastfreundschaft danken“, sagte sie. „Sie haben mir wirklich sehr geholfen. Dennoch sollte ich jetzt so schnell wie möglich zur Ausgrabungsstätte zurückkehren. Man braucht mich dort. Die Arbeit wird sich schon stapeln.“
„Dr. al Biminan hat angeordnet, dass Sie den Fuß zwei Tage lang nicht belasten dürfen“, erinnerte Karim sie.
„Ich weiß. Aber die Fundstücke kann ich auch im Sitzen fotografieren.“
„Wenn Sie möchten, können Sie gern den Rollstuhl ausleihen“, bot Karim an. Bestimmt war der Boden im Camp sehr uneben, doch sie würde wenigstens beweglich sein und trotzdem ihren Fuß schonen können. Wenn er sie bei der Ausgrabungsstätte absetzte, würde er sich auf jeden Fall davon überzeugen, dass sie es bequem hatte.
Im Geist schüttelte er den Kopf über sich. Warum sollte er sich darüber Gedanken machen? Sie war eine Fremde für ihn.
Ihm wurde bewusst, dass er sich für die Grabungen zu interessieren begann. Lisas Berichte über die Funde, die dort gemacht wurden, hatten seine Neugierde geweckt. Waren sie es womöglich wert, sein Staudammprojekt noch für eine Weile auf Eis zu legen?
„Das wäre sehr hilfreich, vielen Dank“, erwiderte sie auf sein Angebot.
Karim beobachtete sie, wie sie gedankenvoll in die Ferne blickte. Bisher hatte sie noch keinen Versuch gemacht, mit ihm zu flirten. Er musste sich eingestehen, dass es ihn ein wenig ärgerte. Selbst als Nura noch am Leben gewesen war, hatten die Frauen ständig mit ihm geflirtet – in der Hoffnung, dass er sich zu einem Seitensprung hinreißen ließ. Doch das war für ihn nicht infrage gekommen. Er hatte Nura von Kindheit an geliebt. An anderen Frau war er nie interessiert gewesen.
Auch heute hatte er kein Interesse an einer neuen Beziehung. Ihm genügten die Erinnerungen. Nura und er waren viele Jahre verheiratet gewesen. Ihr Andenken würde ihn bis ins Grab begleiten.
Karim beschloss, alle Gedanken an seine verstorbene Frau zu verbannen und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. „Ich werde Sie morgen früh zum Camp fliegen“, sagte er. „Dann können Sie auch Ihre Luftaufnahmen machen.“
Ihr strahlendes Lächeln verwirrte ihn. Was brauchte es, um dieses Lächeln öfter auf ihr Gesicht zu zaubern? Offenbar mehr als Wohlstand und Ansehen – jene Dinge, die er in reichem Maße besaß. Mehr und mehr weckte Lisa Sullinger sein Interesse mit ihrer Mischung aus kindlicher Begeisterung und vorsichtiger Zurückhaltung.
In gewisser Weise waren sie sich ähnlich. Keiner von ihnen zeigte Bereitschaft, viel zu riskieren, um sich mit dem anderen auszutauschen. Allerdings schien Lisa
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