Lockende Flammen
Anblick mit den enthaarten Männeroberkörpern aus der Werbung. Was war aufregender? Sie brauchte nicht lange zu überlegen.
Schuldbewusst zwang Leonora sich wegzuschauen. Als ihr Blick dann ausgerechnet in seinem Schritt landete, wurde ihr ganz heiß. Nicht dass dort wirklich etwas zu sehen wäre … außer, dass er ein Mann war natürlich. Aber so etwas war ungehörig, das machte man nicht. Sie machte so etwas nicht – normalerweise jedenfalls nicht …
Ihr Mund war plötzlich ganz trocken, ihr Herz schlug Kapriolen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich genug unter Kontrolle hatte, um zu fragen: „Wie lange dauert der Flug?“
Viel zu lange für die Art Intimität, die er hier in der Enge des Cockpits erdulden musste. Alessandro veränderte seine Sitzposition, in der Hoffnung, so das Feuer in seinen Lenden einzudämmen.
„Eine Stunde, mit Rückenwind auch weniger.“
Leonora nickte energisch, um die Verlegenheit zu überspielen, die in ihr aufstieg, als sie sah, dass Alessandro nervös in seinem Sitz herumrutschte. Es wirkte fast als würde er versuchen, sich vor ihren aufdringlichen Blicken zu schützen.
Erst als sich in ihren Kopfhörer eine Stimme aus dem Kontrollturm meldete, gelang es ihr, an etwas anderes zu denken. Aber dann ermöglichte es ihr zum Glück ihre jahrelange Übung, sich auf die vor ihr liegende Aufgabe zu konzentrieren.
Schon nachdem sie fünfzehn Minuten in der Luft waren, musste sich Leonora eingestehen, dass Alessandro ein hervorragender Pilot war. Besser könnte er seine Sache gar nicht machen. Zum Glück hatte sie nicht allzu viel Zeit darüber nachzudenken, weil bald Sizilien in Sicht kam. Und als sich die Insel schließlich unter ihnen ausbreitete, war Leonora abgelenkt von ihrem berückenden Charme. Beim Anblick des Ätnas, der gefährlich wirkte und zwingend zugleich, drängten sich ihr Parallelen zwischen Alessandro und seiner Heimat auf.
„Im Osten kann man bereits das Castello sehen.“
Leonora wandte den Kopf. Der Anblick der gewaltigen zinnenbewehrten Burg hoch oben auf einem Felsen bewirkte, dass ihr in einer Mischung aus Bestürzung und Ehrfurcht der Atem stockte. In einiger Entfernung und abgeschirmt von einem Olivenhain sah sie ein von einer mittelalterlichen Stadtmauer umgebenes Städtchen. Jenseits davon stieg das Land bergig an, und hier und da sah man kleine Ortschaften, die sich in die felsigen Abhänge krallten.
Alessandro zog die Augenbrauen zusammen, während er seinen Blick über die Bergdörfer wandern ließ. Sein Vater hatte die Menschen, die auf dem Land der Leopardis lebten, stets wie Leibeigene behandelt und sich standhaft geweigert, von dieser üblen Praxis abzulassen. Und er redete sich tatsächlich ein, ein guter Patriarch und Wohltäter der Menschheit zu sein, dabei war er in Wahrheit nichts anderes als ein finsterer Tyrann. Die Menschen in den Bergdörfern waren bitterarm und lebten fernab der Zivilisation selbst heute noch fast wie im Mittelalter. In den kleinen Ortschaften selbst gab es keine Schulen, und keine Familie konnte es sich leisten, ihre Kinder in der Stadt auf eine Schule zu schicken, da sonst die Hilfe bei der Arbeit auf dem Land fehlte, für das Alessandros Vater immer noch einen Zehnt kassierte.
Falcon hatte versprochen, nach dem Tod ihres Vaters mit diesen üblen Zuständen aufzuräumen, aber bis dahin würde es wohl weiterhin immer wieder zu Unruhen kommen. Alessandro stand dabei ganz klar auf Seiten der Aufbegehrenden, die in seinen Augen jedes Recht hatten, sich gegen diese unzumutbaren Zustände zur Wehr zu setzen. Im Moment jedoch interessierte er sich mehr für den bewundernden Ausdruck auf Leonoras Gesicht, der ihn veranlasste, eine große Schleife zu fliegen, um ihr einen noch besseren Überblick zu geben. Ihre Zusammenarbeit im Cockpit war erstaunlich harmonisch verlaufen, was hoffentlich ein gutes Zeichen für das bevorstehende Wochenende war.
Nach einer Bilderbuchlandung auf Alessandro Leopardis Privatflughafen rollte das Flugzeug langsam aus. Die Sonne brannte heiß von einem makellos blauen Himmel und überschüttete den grauen Asphalt der Landebahn mit ihrem gleißenden Licht. Das Erste, was Leonora auffiel, als sie das Flugzeug verließ, war der in der Luft liegende Zitronenduft, der sich mit dem Kerosingestank, den Abgasen und dem Geruch heißen Metalls mischte. Die Sonne blendete so stark, dass Leonora sofort ihre neue Sonnenbrille herauskramte.
Während ihr Gepäck ausgeladen wurde, gesellte sich Alessandro
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