Lockende Kuesse
nachmittags beginnen sollte, damit er auch zu einer vernünftigen Zeit ein Ende finden konnte. Einige der Feste, die die Plantagenbesitzer gaben, dauerten die ganze Nacht lang. Natürlich flössen dort Ströme von Alkohol, und die Frauen zogen sich irgendwann zurück und überließen die Männer ihrem Gelage. Charles war jedoch fest entschlossen, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, und der beste Weg, das zu erreichen, war, die Feierlichkeiten so förmlich wie möglich zu gestalten. Die Männer würden zwar stöhnen, doch ihre Frauen würden jeden Moment genießen. Mit Tanzen wollte er gar nicht erst anfangen. Zum einen war es viel zu heiß für derlei Körperertüchtigung, und zum andern wollte er nicht, dass jeder grobe Pflanzer seine junge Braut über den Tanzboden schleifte. Er überlegte, Kartentische aufstellen zu lassen, verwarf den Gedanken jedoch wieder. Sie würden nie gehen, wenn sie einmal mit dem Kartenspielen begonnen hatten. Nein, er musste mit anderer Unterhaltung aufwarten. Man würde nach dem Dinner den Garten öffnen, um sich in der kühlen Abendbrise zu unterhalten. Er brauchte etwas für die Männer; ja, vielleicht einheimische Tänzerinnen in ihren knappen Röckchen. Zur Unterhaltung der Damen würde sich einer von diesen Kerlen anbieten, die über glühende Kohlen laufen konnten. Und dann noch etwas, das so langweilig war, dass man schleunigst aufbrechen würde.
»Collins, ich habe gehört, Ihre Frau singt so wundervolle italienische Opernarien zur Unterhaltung der Gäste auf Partys?«, bemerkte er, an seinen Sekretär gewandt.
Die Hilfsköche, die dem Chefkoch der Gouverneursresidenz unter die Arme greifen sollten, stammten allesamt aus Martinique, und in der Küche schwirrte es nur so von französischen und kreolischen Wörtern. Kitty gab sich große Mühe mit dem Menü, und wenn sie im Zweifel war, wandte sie sich Rat suchend an Charles.
»Mein Liebling, ich will dir gerne den besten Rat geben, den ich je bekommen habe: wenn im Zweifel, tue gar nichts! Bei meiner Karriere hat das Wunder bewirkt«, sagte er lachend.
»Aber ich bin so schrecklich unwissend, Charles!«, jammerte sie.
»Warum glaubst du, bezahle ich dem Chefkoch ein derart unverschämt hohes Gehalt? Weil er ein Experte ist, also überlass ruhig alles ihm. Wie steht es mit deinem Kleid?«
»Du versuchst ja bloß, das Thema zu wechseln, und außerdem ist das ein Geheimnis. Ich werde dich über alle Maßen mit meinem guten Geschmack beeindrucken. Meine Wahl muss makellos sein, etwas, das der Frau des Gouverneurs würdig ist, ein Vorbild an Respektierlichkeit.«
»Respektierlichkeit ist etwas für die Bourgeoisie«, neckte er sie.
»Vertrau mir, was das Kleid betrifft. Also, was hältst du jetzt von klarer Schildkrötensuppe? Wäre das akzeptabel genug?«
Er seufzte. »Ach Liebes, findest du nicht, es ist ein bisschen zu warm für Suppe?« »Ach bitte, Charles, es klingt aber doch so elegant!«
»Ah, das ist also dein Hauptkriterium? Dann sollten wir ratatouille servieren! Klingt das elegant genug für dich?«
»O ja, bitte. Was ist ratatouille?«
»Herzchen, ich bin ein Schuft, dich derart aufzuziehen, aber ratatouille bedeutet einen Mischmasch, einen Eintopf aus Resten, ein Armenmahl.«
Sie stimmte in sein Lachen ein, und er schlang den Arm um sie und zog s.ie auf sein Knie. »Dabei fällt mir ein, wie ich einmal in Lancashire zum Abendessen eingeladen war - in Lancashire gibt es, nebenbei bemerkt, einige der schlechtesten Köche überhaupt - und ob du's glaubst oder nicht, alles, was auf den Tisch kam, war ...«
»Gekocht!«, beendete sie seinen Satz.
»Genau! Als das Dessert serviert wurde, war das ein Riesenberg aus klebrigem, gekochtem Siruppudding. Man isst dort so viel Siruppudding, dass einem beim Gehen die Füße kleben bleiben«, sagte er lachend.
»Ach Charles, aber wenn man richtig Hunger hat, dann gibt es nichts Besseres.«
Er blickte sie zärtlich an. »Lass uns nach oben gehen und nach unserem Sohn sehen.«
Kitty trug zum Empfang ein eierschalenfarbenes Kleid aus Georgettespitze, reich gefältelt und plissiert. Winzige Knöpfe zogen sich über den ganzen Rücken und vom Handgelenk bis zum Ellbogen. Charles brachte ihr Orchideen.
»Du bist einfach atemberaubend«, flüsterte er ihr ins Ohr.
»Charles, ich bin so nervös. Ich habe schreckliche Angst, mich furchtbar zu blamieren, dabei wünsche ich mir doch so sehr, dass du stolz auf mich bist«, stammelte sie.
»Komm. Die ersten Gäste
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