Lockende Versuchung
begannen.
Edmund ist wahrhaftig ein Zauberer, dachte Julianna. Seine stimmungsvollen Sprüche hatten in jedem der Mädchen das Selbstbewusstsein entzündet und damit zugleich ihren ureigenen, unverwechselbaren Reiz zutage gefördert.
Bei der nun folgende Quadrille, in der je vier Paare eine Art Contredans aufführten, konnte sich Julianna der Bewerber kaum erwehren. Vergebens versuchte sie, auch Edmund zu einer Runde aufzufordern. Immer, wenn sie den Blick in seine Richtung wandte, bemühte er sich gerade wie ein echter Kavalier entweder um die Wünsche der Pritchardtöchter oder ihrer Tante. Dabei erkannte sie plötzlich, wie sehr ihr an seiner öffentlichen Aufmerksamkeit ihr gegenübergelegen war. Seine sichtliche Interesselosigkeit an diesem Abend schmerzte sie tief.
Nur mühsam gelang es Edmund, Aufmerksamkeit für Lady Lynwells Erinnerungen aus ihrer Zeit in Indien vorzutäuschen. Die gute Frau litt unter der abwegigen Vorstellung, dass er und Amelia ein glückliches Paar gewesen seien und ihm das Herz bei ihrem Tod gebrochen war. Er sollte Amelia geliebt haben? Wie unsinnig. Damals hatte er doch noch gar nicht gewusst, was Lieben bedeutete. Heute wusste er es.
Verstohlen beobachtete er Julianna, die über die Tanzfläche schwebte. Und gleich ihm folgten viele der jungen Burschen seiner Gemahlin mit den Augen. Seine schöne englische Rose eroberte alle Männer im Sturm. Julianna ähnelte wahrhaftig einer Rose, so schön und lebensvoll, wie sie war, und auch so voller Dornen durch ihren scharfen Verstand. Und gleich einer Rose ließ sie sich nicht durch jede zufällige Hand pflücken. Geschützt durch ihre spitzen Stacheln bezeugte sie ihre Gunst nur dem vorsichtigen Bewunderer.
Als die Quadrille beendet war, betraten Vanessa und Baron Auersberg, der sich zuvor mit den Musikern beraten hatte, die Tanzfläche und kündigten an, den neuesten österreichischen Tanz vorführen zu wollen. Es schien eine etwas bäurische Angelegenheit zu sein mit viel Händeklatschen und Drehen. Zum Schluss jedoch legte der Baron den Arm um Vanessas Taille und wirbelte leichtfüßig mit ihr über das Parkett.
Die Gäste klatschen zwar höflich Beifall, waren aber doch ein wenig entsetzt, denn in England pflegten sich die Paare beim Tanze höchsten an den Händen zu berühren. Einige der jungen Männer jedoch beeilten sich, es den beiden nachzutun, und drängten sich um Vanessa, während der Baron sich Julianna näherte. Das konnte Edmund nun nicht mehr länger mit ansehen.
„Nun, Kapitän Fitzhugh, was meint Ihr? Sollen wir dieses neumodische Gehüpfe auch einmal probieren?“, fragte Lady Lynwell neckisch.
Wortlos reichte Edmund ihr den Arm und steuerte geradewegs auf Julianna zu, die dem Österreicher sofort den Rücken zuwandte und zu Edmunds maßloser Überraschung ausrief: „Oh, wie reizend von Euch, Lady Lynwell, mir meinen Gemahl herbeizuholen! Ich sagte gerade zu Baron Auersberg, dass die kleinen Ungehörigkeiten dieses neuen Tanzes nur Eheleute miteinander ausführen sollten. Ihr leiht mir doch freundlicherweise meinen Gemahl? Baron Auersberg sucht gerade eine Partnerin.“
Das klang genau wie Vanessas geschliffene Redeweise. Obwohl sich Edmund eben noch ein Zeichen von Aufmerksamkeit seitens seiner jungen Frau gewünscht hatte, folgte er Julianna jetzt missvergnügt auf den Tanzboden. Was fiel ihr ein, ihn Miriam so leichtfertig auszuspannen? Und sie brauchte auch nicht so zu tun, als liege ihr etwas an seiner Gesellschaft, da die jungen Laffen doch alle um sie herumschwirrten. Nein, sie wollte ihn nur an der kurzen Leine halten, damit er die unerwünschten Bewunderer fortjagte. Verdammt, so ließ er nicht mit sich umspringen!
Als die Musik einsetzte, nahm er den Regeln entsprechend Juliannas Hand, und während seine Partnerin eine graziöse Pirouette drehte, stieß er durch die zusammengebissenen Zähne hervor: „Würdest du mir bitte den Grund für dein unverfrorenes Benehmen nennen?“
Julianna blickte ihn über die Schulter an und erwiderte gleichgültig: „Nur die Wahrung des Scheins, da du deine Gemahlin heute in geradezu skandalöser Weise vernachlässigt hast. Ich wollte Gerede verhindern.“
Wütend zog Edmund sie mit einem Schwung näher zu sich. „Ach so, du wolltest nicht, dass die Leute sagen, Lady Fitzhugh ist es müde, Altertümer zu studieren, und sucht sich lieber flottere Objekte.“
„Im Gegenteil. Ich wollte nicht, dass die Leute sagen, Sir Edmund Fitzhugh hat die grünen Früchte satt
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