Lockruf der Finsternis
ihn in Feuer versetzte, lag etwas nicht nur Tröstendes, sondern auch etwas sehr Beunruhigendes.
»Vielleicht sollten wir uns Rüstungen aus Spiegeln anschaffen«, sagte sie. »Weißt du, solche wie in dem Film Die Gebrüder Grimm ?«
»Das war nur Metall, was sie da getragen haben.«
»Aber wir könnten welche aus Spiegeln machen. Dann würden die Gallu jedes Mal abgeschreckt, wenn sie uns nahe kommen … weißt du, wir könnten eine ganz neue Mode erschaffen: Kleider mit Spiegeln. Eine Mode, die die Menschheit rettet. Überlege doch mal!«
Er lachte über ihre Gedankenspiele. Er wusste ihre Ideen zu schätzen, aber sie waren hoffnungslos unpraktisch. »Und wenn wir im Kampf mit ihnen einen Spiegel zerbrechen, dann haben wir sieben Jahre lang Unglück.«
Sie antwortete sofort. »Wir sind doch unsterblich – was bedeuten da schon sieben Jahre?«
»Eine Ewigkeit, wenn es schlechte Jahre sind.«
Sie streckte ihm spielerisch die Zunge heraus, aber trotzdem sah es bei ihr entzückend aus.
Was stimmte bloß nicht mit ihm?
»Ja, sei doch ein Spielverderber!«
Er nahm an, dass er das war. Er wäre gern genauso spielerisch gewesen wie sie, aber das war er nun mal nicht. Doch bei ihm gab es nur Verhängnis und Düsterkeit, und er musste sich fragen, was sein Bruder vorhatte und wohin er verschwunden war …
Sin fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Die Schuldgefühle nagten an ihm. »Was habe ich nur getan?«
Kat umarmte ihn fester. »Du hast deinen Bruder gerettet.«
Er lehnte seinen Kopf an ihren und atmete den süßen Duft ihres Haares und ihrer Haut ein. »Und was, wenn ich das nicht getan habe? Was, wenn Kytara recht hat und wir ihn hätten töten sollen, während wir noch die Gelegenheit dazu hatten?«
»Glaubst du das wirklich?«
»Im Moment weiß ich einfach nicht, was ich denken soll.«
Kat küsste ihn sanft aufs Schulterblatt, sodass es ihn fast versengte. »Ich weiß es, Sin. Ich glaube an dich und dein Urteil. Ich weiß, dass du das Richtige getan hast.«
Sin war sprachlos über ihre Überzeugung, und sie bedeutete ihm mehr, als er je in Worte fassen konnte. »Danke. Ich wünschte nur, ich hätte das gleiche Vertrauen wie du.«
»Mach dir keine Gedanken. Ich habe genug für uns beide.«
Sin lächelte, obwohl er sich Gedanken darüber machte, was Zakar gerade tat. Er hatte das Gefühl, er sollte nach ihm suchen. Aber er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Genau wie Kat hatte er nicht die geringste Spur von seinem Bruder erhaschen können.
Und wenn Sin ihn herbeirief, reagierte Zakar nicht. Niemand konnte sagen, was sein Bruder im Schilde führte.
Sin hatte ein schlechtes Gefühl. Hatten Loyalität und Liebe ihn blind gemacht? Bei den Göttern, was, wenn er hier etwas sehr Gefährliches auf die Menschheit losgelassen hatte?
»Hör auf, dir Gedanken zu machen.« Kat glättete seine Stirn mit dem Finger.
»Wir wissen aber nicht, was er vorhat.«
»Ich weiß.« Sie nahm die kleine sfora ab, die sie um den Hals trug, und behielt sie in der Hand. »Wir versuchen, ihn auf diese Weise zu finden, in Ordnung?«
Sin trat zurück, als sie den Stein benutzte, um Zakar herbeizurufen. Aber nach einigen Minuten sah sie auf und verzog das Gesicht. »Es funktioniert nicht.«
»Was meinst du damit?«
»Es ist, als ob er nicht auf der Erde ist – nirgendwo. Meinst du, er ist zurück in die Höhle?«
»Das ist kaum anzunehmen, wenn man bedenkt, was sie ihm angetan haben. Aber selbst wenn es so wäre: Dort hat ihn die sfora letztes Mal gefunden. Würde sie ihn dann nicht noch einmal finden können?«
»Das sollte man annehmen.« Kat schaute hoch und begegnete seinem Blick. »Kennst du das Gefühl, dass nichts auf der Welt mehr einen Sinn ergibt?«
»Das Gefühl habe ich jeden Tag meines Lebens.«
»Tja, ich bin dieses Gefühl nicht gewohnt und finde es im höchsten Maße beunruhigend.«
Er strich ihr über die Arme und küsste sie leicht auf die Stirn. »Wir werden ihn finden.«
Kat wollte das gerne glauben, aber sie war sich nicht mehr so sicher. Was hatten sie da zurückgeholt? War Zakar der Dämon, vor dem Kytara sie gewarnt hatte, oder war er noch anständig genug, um dagegen anzugehen?
»Wenn er auf Seiten der Gallu kämpft …«
Sins Gesicht verhärtete sich. »Das wird er nicht. Daran muss ich glauben können.«
»Aber wenn sie ihn auf ihre Seite gezogen haben?«
»Dann werde ich ihn töten«, sagte er mit so ernsthafter Überzeugung, dass es beinahe glaubwürdig war.
Aber Kat wusste, wie
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