Lockruf der Gefahr - Lockruf der Gefahr - Black Hills
abzustammen, und gibt gern mit seinen Erfahrungen als Bergführer an. Er lebt zurückgezogen, ist aber sehr höflich und charmant zu den Damen. Anfangs zumindest.«
»Chief. Wir haben ihn hauptsächlich Chief, also Häuptling, genannt, weil er nach ein paar Bier davon gesprochen hat, von Crazy Horse abzustammen. Ein Idiot. Ich weiß noch, dass er eine Kette aus so genannten Bärenzähnen getragen und erzählt hat, wie er und sein Vater auf Bärenjagd gingen und solchen Mist. Er hat gut was weggearbeitet, als er hier war, aber er ist nicht lange geblieben. Dann ist er mit meiner besten Kellnerin verschwunden.«
»Wissen Sie noch, wie sie heißt?«
»Ja, Molly Pickens. Sie hat vier Jahre für mich gearbeitet, bis Chief aufgetaucht ist. Dann ist sie mit ihm abgehauen, und mir fehlten plötzlich zwei Leute. Ich musste meine Frau reinschleifen, damit sie bedient, und durfte mir anschließend wochenlang ihr Gejammer anhören. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern.«
»Wissen Sie, wo ich Molly erreichen kann?«
»Seit jenem August habe ich nie mehr etwas von ihr gesehen oder gehört.«
Coop spürte ein Summen in seinem Schädel. »Hat sie Familie? Freunde? Jemanden, bei dem ich mich melden könnte?«
»Hören Sie, guter Mann, ich behalte die Leute nicht im Auge. Sie kam und hat nach Arbeit gefragt. Und ich habe ihr Arbeit gegeben. Sie verstand sich gut mit den
Kollegen und Gästen. Sie hat sich um ihren eigenen Dreck gekümmert, und ich kümmere mich um meinen.«
»Woher stammte sie?«
»Meine Güte, sind Sie neugierig! Von irgendwo an der Ostküste. Sie hat einmal erwähnt, dass sie genug von ihrem Alten gehabt habe - keine Ahnung, ob das ihr Mann oder ihr Vater war - und abgehauen sei. Sie hat nie Ärger gemacht, und trotzdem ist sie mit Chief auf und davon.«
»Sie ist einfach weg, ohne Ihnen vorher zu kündigen. Hat sie ihre Sachen mitgenommen?«
»Viel hat sie sowieso nicht gehabt. Sie hat ein paar Klamotten und so was mitgenommen, ihr Konto aufgelöst und ist mit ihrem alten Ford Bronco auf und davon.«
»Mochte sie die Natur? Wandern? Zelten?«
»Wie bitte? Suchen Sie jetzt nach ihr oder nach ihm?«
»Im Moment? Nach beiden.«
Bender schnaubte gereizt. »Jetzt, wo Sie es sagen … sie war gern draußen in der Natur. Sie war ein nettes, zähes Mädchen. Wenn sie frei hatte, ging sie gern wandern, um Fotos zu machen. Sie wolle Fotografin werden, hat sie gesagt. Sie hat sich ein bisschen was dazuverdient, indem sie Fotos an die Touristen verkaufte. Um sie mach ich mir keine Sorgen.«
In diesem Punkt war sich Coop nicht so sicher. Er quetschte Bender nach noch mehr Details aus und machte sich Notizen.
Nachdem er alle Informationen zusammengestellt hatte, lehnte er sich zurück, schloss die Augen und dachte nach. Er erkannte ein Muster, ein sich wiederholendes Verhaltensmuster. Das fand man oft, wenn man darauf achtete.
Er machte den Computer aus und ging zu Willy.
Das Gesicht des Sheriffs war bleich vor Erschöpfung, seine Augen waren blutunterlaufen, und seine Stimme war extrem heiser. »Ich hab mich erkältet.« Er nieste lautstark in ein rotes Bandana-Tuch. »Dieser verdammte Frühling! Ich bin erst vor einer halben Stunde von der Suche zurückgekommen.« Er hob einen dicken weißen Becher. »Tütensuppe. Ich kann nichts schmecken, aber meine Mutter hat immer gesagt, dass bei einer Erkältung nichts besser hilft als Hühnersuppe. Jetzt heißt es: runter damit.«
»Ihr habt ihn nicht gefunden.«
Willy schüttelte den Kopf. »Bei diesem Mistwetter sieht man die Hand vor Augen nicht. Morgen soll es aufklaren. Wenn der arme Kerl noch lebt, geht es ihm ganz schön dreckig.« Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. »Mein Hals fühlt sich an, als hätte man meine Mandeln mit Sandpapier abgeschmirgelt. Er wird erst seit einem Tag vermisst. Wenn er sich nicht verletzt hat oder tot ist, hat er sich vor dem Regen untergestellt und wird durchkommen. Er hatte Proviant dabei. Energieriegel, Wasser, Studentenfutter und so was. Er wird schon nicht verhungern. Unsere größte Angst ist die, dass er in eine flutartige Überschwemmung geraten und ertrunken ist.«
»Braucht ihr Verstärkung da oben?«
»Wir haben genügend Leute dort. Ich hoffe nur, dass nicht noch jemand ertrinkt oder von einer verdammten Klippe stürzt. Zwei mussten schon evakuiert werden: Einer hat sich den Knöchel gebrochen, und ein anderer zeigte Symptome eines Herzinfarkts. Wie sich herausstellte, waren es nur
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